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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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vorstellt.« Cindy starrte auf den Bildschirm. Eine zweite junge Frau, deren dunkler Bikini zu ihrer schwarzen Haut passte, stieg zu einem kahlköpfigen, von Tätowierungen bedeckten Mann in den Whirlpool, der aussah wie ein schwarzer Meister Proper.
    »Was tut ihr denn Leid?«, fragte Heather.
    »Das ist es ja gerade. Nichts tut ihr Leid.« Cindy schüttelte den Kopf und versuchte, sich zu erinnern, wann sie sich ihrer jüngeren Schwester zum letzten Mal nahe gefühlt hatte.

    (Erinnerung: Die achtjährige Leigh folgt Cindy von Zimmer zu Zimmer und kopiert jede ihrer Bewegungen, als ob sie an ihrer Seite festkleben würde. »Warum äfft sie mir alles nach?«, protestiert Cindy und stößt Leigh weg.
    »Warum äfft sie mich oder macht mir alles nach«, verbesserte ihre Mutter sie. »Außerdem ist Nachahmung die ehrlichste Form der Schmeichelei.«
    »Ich hasse sie.«
    »Ich hasse sie auch«, kommt das Echo von Leigh.
    »Wenn ihr groß seid, werdet ihr euch lieben«, verspricht ihre Mutter.)
    Taten sie das?, fragte Cindy sich jetzt, während sie zusah, wie Meister Proper seiner neugierigen Begleiterin seine diversen Tätowierungen erklärte. Sie hatten keine gemeinsamen Interessen und unterschieden sich in Geschmack und Stil. Sowohl was Kleidung als auch was Politik und Männer betraf. Sosehr sie sich auch anstrengten, und das taten sie gelegentlich wirklich, lagen sie trotzdem nie ganz auf einer Wellenlänge. Ihr gegenseitiges Mitgefühl war bemüht, ihre Sympathie gezwungen. Sie tolerierten einander. Und auch das manchmal nur mit Mühe.
    Seltsamerweise hatten sie sich am besten verstanden, als Cindy frisch verheiratet war, und dann wieder, als sie sich scheiden ließ. Als Cindy mit Tom nach Niagara Falls durchgebrannt war, ohne irgendwem Bescheid zu sagen, hatte Leigh ihre Eltern davon überzeugt, ihren Zorn zu überwinden und den jungen Mann zu akzeptieren, für den Cindy sich entschieden hatte. Leigh war regelmäßig in ihrer winzigen Wohnung zu Besuch gewesen, eine Mitverschwörerin nach begangener Tat.
    Nachdem Tom sie verlassen und Julia mitgenommen hatte, war Leigh ähnlich hilfsbereit gewesen, war zum Abendessen vorbeigekommen, hatte ihrer verzweifelten Schwester Einkäufe abgenommen und angeboten, Heather zu hüten. Monatelang
hatte sie morgens als Erstes bei ihr angerufen und noch einmal, bevor sie abends schlafen ging. Sie hatte dafür gesorgt, dass Cindy den besten Scheidungsanwalt der ganzen Stadt bekam, und buchstäblich in die Hände geklatscht, als Cindy eine finanzielle Vereinbarung erkämpft hatte, die sie lebenslang absicherte.
    Leighs eigene Ehe mit dem Direktor einer Highschool hatte immer einen ganz glücklichen Eindruck gemacht. Warren war ein gütiger Mann und beinahe ein bisschen zu geduldig, wobei er seine Frau offenbar ehrlich liebte. »Warren würde mich nie betrügen«, hatte Leigh mehr als einmal erklärt, und Cindy hatte zustimmend genickt, von der Richtigkeit der Einschätzung ihrer Schwester überzeugt, und so getan, als würde sie den unausgesprochenen Zusatz »So wie Tom dich« nicht hören.
    »Mom?«, fragte Heather. »Was ist los? Warum lächelst du so seltsam?«
    Cindy entspannte ihren verkrampften Mund. »Ach, bloß wegen der blöden Fernsehsendung.« Sie griff nach der Fernbedienung, drückte auf einen Knopf und sah zu, wie Meister Proper und seine Begleiterin in der Dunkelheit verschwanden.
    »Hey …«
    »Ruf für mich bei deinem Vater an. Bitte«, fügte Cindy hinzu, als ihre Tochter nicht reagierte.
    Heather schleppte sich zum Nachttisch und griff nach dem Telefon. »Ich verstehe nicht, warum du ihn nicht anrufen kannst.«
    »Ich hab keine Lust, mit dem Keks zu reden«, murmelte Cindy.
    »Was?«
    »Ruf ihn einfach an.«
    Heather wählte die Nummer und trat von einem Fuß auf den anderen, während sie darauf wartete, dass jemand abnahm. »Hey, Fiona«, sagte sie dann, während Cindy die Nase kräuselte,
als hätte sie etwas Unangenehmes gerochen. »Hier ist Heather. Mir geht’s gut. Und selbst?«
    Cindy ging zurück ins Bad und streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus. »Mir geht’s einfach supi«, sagte sie in dem zwitschernden Tonfall des Kekses. »Putzmunter. Topfit. Absolut perfekt.«
    »Ist meine Schwester da?«
    Cindy nahm eine Bürste, zog sie durch ihre Haare und lauschte auf die Antwort.
    »Erwartet ihr sie zum Essen?«
    Julia war also nicht da. Zumindest noch nicht. »Frag sie, ob sie etwas von ihr gehört hat«, wies Cindy ihre Tochter an, als sie, die Bürste

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