Bevor der Abend kommt
so was.«
»In was?«
»Dieses ganze Ritual, sich verabreden, Sie wissen schon.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Nun, meine Konversationskünste sind nicht gerade brillant.«
»Ganz im Gegenteil. Ich bin jedenfalls ganz Ohr.«
Wieder lachte Cindy. »Ja, Sex ist eine billige Art, Aufmerksamkeit zu bekommen.«
»Nicht immer so billig.«
Cindy leerte hektisch ihr Weinglas. »Und was hat Trish Ihnen über mich erzählt?«
Neil lehnte sich zurück und dachte einen Moment über die Frage nach. »Sie hat gesagt, dass Sie intelligent, schön und extrem wählerisch in puncto Männer wären.«
»Was eine nette Umschreibung dafür ist, dass ich seit drei Jahren keinen Sex mehr hatte«, hörte Cindy sich sagen, bevor sie die Hand vor den Mund schlagen konnte. »Gott, was ist bloß los mit mir?«
»Sie hatten seit drei Jahren keinen Sex«, antwortete Neil mit einem listigen Lächeln.
Cindy spürte, dass ihr Gesicht und ihr Hals brannten, als wäre sie zu lange in der Sonne gewesen. Sie hatte das Gefühl, alle würde sie anstarren. »Vielleicht sollte ich einfach eine öffentliche Erklärung abgeben. Ich glaube, da hinten in der Ecke sitzen Leute, die es vielleicht noch nicht wissen.«
»Warum hatten Sie seit drei Jahren keinen Sex? Sind Sie wirklich so wählerisch in puncto Männer?«
»Stachelig trifft es wahrscheinlich besser«, gab Cindy zu. »Männer mögen keine wütenden Frauen.«
»Und Sie sind eine wütende Frau?«
»Offenbar.«
Ich hatte immer Probleme mit deiner Wut , hatte ihr Ex-Mann ihr erklärt.
»Alles in Ordnung?«, fragte Neil.
»Ja. Wieso?«
»Ich weiß nicht. Sie hatten auf einmal so einen komischen Gesichtsausdruck.«
»Mir geht es gut«, versicherte Cindy ihm. »Abgesehen davon, dass ich mir vorkomme wie ein kompletter Idiot, meine ich.«
»Ich finde Sie sehr charmant. Ich amüsiere mich prächtig.«
»Wirklich?«
»Sie nicht?«
Cindy lachte. »Doch, das tue ich tatsächlich.«
»Gut. Trinken Sie noch ein Glas Wein.« Er goss ihre beiden Gläser voll und stieß mit ihr an. »Auf wütende Frauen.«
Cindy lächelte. »Und auf mutige Männer.«
(Erinnerung: Toms Stimme auf dem Anrufbeantworter: Hi, ich bin’s. Hör mal, es gibt keine leichte Art, das zu sagen, also sage ich es einfach geradeheraus. Ich verlasse dich. Genauer gesagt, ich habe dich schon verlassen. Nenn mich einen Feigling oder was dir sonst noch an Kraftausdrücken einfällt, aber ich dachte, es wäre einfach besser, wenn wir das nicht persönlich besprechen. Du weißt, dass ich immer Probleme mit deiner Wut hatte. Wie dem auch sei, ich bin im Vier Jahreszeiten . Ruf mich an, wenn du aufgehört hast zu fluchen .)
»Trish hat mir erzählt, dass Sie in Hazelton Lanes arbeiten«, sagte Neil.
»Ja, eine Freundin von mir ist Besitzerin des kleinen Schmucklädchens, und ich helfe ihr drei Nachmittage die Woche aus.«
»Wie lange machen Sie das schon?«
»Seit sieben Jahren.«
»Seit Ihrer Scheidung?«
»Trish hat Ihnen davon erzählt?«
»Sie hat gesagt, dass Sie seit sieben Jahren geschieden sind.«
Das war es, was Cindy an Verabredungen am wenigsten mochte. Die Bestandsaufnahme des Gefühlslebens, wo von einem erwartet wurde, die eigene schmutzige Wäsche zu waschen, seine Seele zu entblößen, seine Enttäuschungen zu artikulieren, seine Leiden aufzuzählen und auf ein mitfühlendes Ohr zu hoffen. Aber Cindy hatte kein Interesse zu waschen, zu entblößen, zu artikulieren und aufzuzählen. Und das Hoffen hatte sie schon längst aufgegeben. Sie holte tief Luft. »Okay, ich werde das so schnell wie möglich hinter mich bringen, also passen Sie gut auf: Vor sieben Jahren hat mein Mann mich wegen einer anderen Frau verlassen, was keine riesengroße Überraschung war, weil er mich bereits seit Jahren betrogen hatte. Überraschend war nur, dass meine ältere Tochter beschloss, mit ihm zu gehen, obwohl mich auch das nicht hätte erstaunen sollen, weil sie schon immer die kleine Prinzessin ihres Vaters gewesen
ist. Wie dem auch sei«, fuhr Cindy mit einem Blick auf das Handy in ihrer Handtasche fort, »meine Scheidungsvereinbarung hat dafür gesorgt, dass ich mir keine Sorgen machen muss, einen Job zu finden, was gut ist, da ich nur einen Highschool-Abschluss habe, weil ich mit achtzehn mit meinem Mann durchgebrannt bin. Können Sie mir noch folgen?«
»Ich hänge an Ihren Lippen.«
»Nach meiner Heirat habe ich ein paar Jahre bei Eaton’s gearbeitet, wo ich Handtücher, Bettwäsche und ähnlich aufregende Dinge
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