Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
geschlagen.“
Calder Hart und Rick Bragg waren in jeder denkbaren Hinsicht erbitterte Rivalen. Francesca konnte sich keine zwei Brüder vorstellen, die unterschiedlicher waren als diese beiden. Sie waren in den schlimmsten Vierteln dieser Stadt in Armut aufgewachsen, bis Ricks Vater Rathe Bragg die zwei bei sich aufgenommen hatte. Rick verzichtete heute auf die schönen Dinge des Lebens und engagierte sich lieber für den Umbau der Gesellschaft und der Regierung. Als Police Commissioner musste er mit einem bescheidenen Monatsgehalt auskommen, aber das störte ihn nicht. Hart dagegen hatte aus seiner Kindheit eine völlig andere Konsequenz gezogen. Er war Millionär, und er führte anderen seinen Reichtum mit einer schockierenden Arroganz vor. Zwar spendete er für zahlreiche wohltätige Zwecke und unterstützte die Kunst, doch sein Ehrgeiz zielte darauf ab, eine Machtposition zu erlangen und nie wieder Armut und Machtlosigkeit zu erdulden. Durch harte Arbeit und überlegene Intelligenz war es ihm gelungen, ein Vermögen anzuhäufen, in erster Linie durch Gütertransport per Schiff und Eisenbahn sowie durch Versicherungen. Ein Außenstehender hätte den einen Bruder als Sinnbild der Tugendhaftigkeit, den anderen als egoistisch und selbstgerecht bezeichnet.
Francesca dagegen wusste: Auch Hart hatte eine anständige Seite, das war ihr aus erster Hand bekannt, weil er sich ihr gegenüber immer nur selbstlos und gutherzig gab. Schon vor einer Weile war sie zu der Ansicht gelangt, dass seine Arroganz nur Fassade war.
Doch nichts davon zählte jetzt noch. Ihr war die Feindschaft zuwider, dennoch wusste sie auch, dass diese Feindschaft zu einem großen Teil durch ihre Vergangenheit mit Rick und ihre jetzige Beziehung zu Hart ausgelöst worden war. Das war alles andere als gerecht, war Rick doch schließlich verheiratet und hatte sich mit seiner Frau versöhnt. „Ich bin mehr als nur in seinen Bann geschlagen, Rick. Ich bin in ihn verliebt.“
„Hast du irgendwelche Zweifel?“
„Ich kann es nicht erwarten, Harts Frau zu werden.“
„Und genau das bereitet mir solche Sorgen.“ Seine Bestürzung war seinen bernsteinfarbenen Augen deutlich anzusehen. „Eine Frau, die so abgestumpft ist wie Hart selbst, könnte mit ihm zurechtkommen. Aber du bist so romantisch, wie du intellektuell bist. Und obwohl er um dich geworben hat, bist du noch genauso naiv. Mir schaudert, wenn ich daran denke, wie sehr du ihm vertraust – und schlimmer noch: was du von ihm erwartest!“
Damit sprach er aus, was ihr in den letzten Wochen immer wieder zu Ohren gekommen war. „Ich erwarte von unserer Ehe wohl kaum das Schlimmste, was mir widerfahren kann. Ich glaube, meine Erwartungen sind ziemlich realistisch“, entgegnete sie. Ein Klopfen an der offenen Salontür unterbrach ihr Gespräch. Francesca warf Bragg einen finsteren Blick zu, dann wandte sie sich ab. Warum musste er ihr das jetzt antun?
Einer der Diener trat ein. In der Hand hielt er eine Schachtel, eingepackt in weißes Papier und mit einer hübschen roten Schleife verziert. Ein Geschenk von Hart.
Der Commissioner machte eine finstere Miene und schob die Hände in die Hosentaschen, während sie Jonathon dankte. Sie ging zum Schreibtisch und öffnete das Päckchen. Zum Vorschein kam nicht das übliche, mit Samt überzogene Schächtelchen aus einem Juweliergeschäft, aber etwas Traditionelles konnte sie von Hart auch nicht erwarten. Stattdessen kam aus der Verpackung ein antikes Taschenmesser mit einer fünf Zentimeter langen Klinge und einem Heft aus Elfenbein. Auf der beigelegten Karte standen die Initialen CH geschrieben.
„Mein Gott! Er hat dir ein Messer geschickt“, rief Bragg.
„Etwas Altes, etwas Neues“, gab sie lachend zurück. Sie liebte das Geschenk! Es war einfach perfekt. Ein solch kleines Messer passte genau in ihre Handfläche, wo sie es verstecken konnte, wenn sie in eine gefährliche Situation geriet, in der sie ihrem Gegenüber nicht zeigen wollte, dass sie bewaffnet war. Sie legte es zurück in die Schachtel. Dieses Geschenk war einer der Gründe, weshalb sie Hart so liebte. Jeder andere Mann hätte ihr ein Schmuckstück geschenkt – nicht jedoch er. Er verstand so genau, was in ihr vorging.
„Du bist eindeutig seinem Zauber erlegen.“
Sie nickte. „Ja, das stimmt. Und ich hoffe, das wird auch noch sehr, sehr lange so bleiben.“
„Du kennst ihn erst so kurze Zeit“, wandte er prompt ein, „und er hat dir schon so übel mitgespielt. Ich habe
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