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Bevor du gehst

Bevor du gehst

Titel: Bevor du gehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Preller
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entlang rennen, rennen, kilometerweit.
    Doch irgendwie hielt sie ihn fest, dieses Mädchen mit der widerspenstigen Mähne, dem das Wasser bis zu den Knien reichte.
    »Jude, ich weiß, dass du es nicht verstehst, deswegen muss ich es dir wirklich erklären. Es ist wichtig.«
    Jude verschränkte die Arme und nickte.
    »Ich war noch gar nicht mal an der Highschool, als ich mich in diesen Typen verknallt habe. Übrigens heißt er Brian, wenn das eine Rolle für dich spielt.« Becka redete jetzt schnell, um die Beichte hinter sich zu bringen. »Er ist mit meinem Bruder befreundet, kommt schon seit Jahren zu uns zu Besuch. Und die ganze Zeit war ich irgendwie unsichtbar für ihn. Matts kleine Schwester.«
    Jude wollte keine Details hören. Der Ozean grollte weiter wie eine böswillige Maschine.
    »Gestern Abend dann …«
    Jude unterbrach sie. »Du musst mir nichts erklären. Ich bin nur ein Bekannter, okay?«
    »Ich hab dich gesehen.« Beckas Stimme wurde lauter. Sie sah ihm tief in die Augen, bis sie die einzigen zwei Menschen auf der Welt waren. Nur noch Jude und Becka. »Und ich hab mich gefühlt wie der letzte Trottel.«
    In Judes Brust flackerte leise Hoffnung auf. Doch er unterdrückte die Regung und wartete.
    »Früher war ich ganz versessen auf ihn«, sagte Becka. »Der Freund meines großen Bruders. Er war immer da und hat mich nie beachtet. Dann gestern Abend hat er mich auf einmal wahrgenommen. Das hat mich irgendwie ins Schleudern gebracht. Und das Witzige ist, Jude, wenn es um Mädchen geht, ist er ein totaler Kotzbrocken. Das wurde mir klar, als du auf einmal verschwunden bist. Ich meine, eigentlich war es mir schon immer klar. Brian ist so ziemlich der größte Egoist auf dem Planeten, und wir haben nichts miteinander gemeinsam außer meinen Bruder.«
    »Willst du damit sagen, dass es vorbei ist?« Jude wandte den Blick ab, weil er sich vor der Antwort fürchtete.
    »Ich will damit sagen, dass du der bist, den ich mag.«
    Jude bemerkte plötzlich ein große Welle, die sich hinter Becka bildete und heranrollte. Schnell streckte er die Hände aus. »Halt dich fest.« Das Wasser traf sie ungefähr auf Schulterhöhe und trieb sie mit Wucht in seine Arme. Sie taumelte nach vorn, rutschte weg, und ehe er reagieren konnte, wurden sie beide von den Beinen gerissen und landeten strampelnd im Sog der Bandung.
    »Sind wir wieder gut?« Mit völlig durchweichten Klamotten rappelte sich Becka hoch. Ihre Stimme klang eindringlich, fast panisch. »Ich möchte wirklich, dass wir wieder gut sind.«
    Jude sagte ja, sie waren wieder gut. Aber im Grunde hatte er keine Ahnung, wie es in den geheimen Winkeln seines Herzens aussah. Sie verwirrte ihn, doch selbst in seiner Verwirrung sehnte er sich nach ihr.
    »Gehen wir zurück zu den anderen«, sagte er.
    Becka lächelte, und ihr Gesicht leuchtete, als würde es von Kerzen beschienen. Kein Zweifel, sie war eine echte Schönheit. »Jetzt sind wir schon nass, da könnten wir doch ein bisschen schwimmen.« Becka fasste nach seiner Hand und zog ihn weiter ins Meer. Und dann drehte sie sich um und wartete ab, bevor sie kopfüber in die nächste heranbrandende perfekte Welle tauchte. Jude folgte ihr in die krachenden Fluten und wurde von hundert donnernden Hufen gestoßen, bevor er wieder an die ruhige Oberfläche trieb. Der Himmel noch immer blau, die Sonnenstrahlen wie glitzernde Diamanten auf dem Wasser, und neben ihm Becka mit funkelnden Augen, deren Licht den Weg über eine felsige Küste zeigte.

17
    »Was möchtest du hören?«, fragte Jude. Mit seiner akustischen Gitarre im Arm saß er auf einer Decke im Park.
    Becka lag lässig, fast flüssig auf der Seite und erwiderte träge: »Spiel einfach.«
    Er war nicht nervös. Mit einer Gitarre fühlte sich Jude selbstsicher, zu Hause. Er trug ein paar Stücke vor, von denen er wusste, dass sie gut ankommen würden, manchmal mit Fingerpicking, aber meistens mit einfachen Riffs, und fragte jeweils, ob sie es erkannte.
    »Mit einer Gitarre bist du ein ganz anderer Mensch«, bemerkte Becka.
    »Anders? Wie?«
    »Mein Gitarrenlehrer Jess – er ist wahnsinnig gut übrigens, spielt bei den Centipedes – redet immer von der musikalischen Persönlichkeit, die sich total von der normalen Persönlichkeit eines Menschen unterscheiden kann.«
    »Das heißt, dass jemand, der sonst ganz ruhig ist, auf einmal voll aus sich rausgeht, wenn er sich eine Gitarre umschnallt?« Jude sann darüber nach. »Klar, leuchtet mir ein.«
    Eine Weile redeten sie

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