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Bevor du gehst

Bevor du gehst

Titel: Bevor du gehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Preller
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brauche ich echte Arbeiter, keine Trödler«, erklärte Kenny.
    »Wie viele?«
    »Vier Jungs und zwei Kassiererinnen.«
    Jude nannte mehrere geeignete Mitarbeiter: Ivan, Roberto und DaJon, den Schnurrbartträger mit dem feinen Benehmen, der als Einziger Bier ausschenken durfte, weil er schon einundzwanzig war. DaJon war ein netter Typ. Jude blickte hinüber zu den drei Kassiererinnen, die noch da waren: Daphne, Becka und die dicke Margorie Watson, alias Trauerkloß. »Vielleicht Daphne und Margorie?«, schlug er vor.
    Kenny fasste das anscheinend als Witz auf und lachte. »Genau, Marge mit den starken Waden schmeißt den Laden. Das wäre bestimmt lustig.« Er nahm lieber Becka.
    Jude hatte den ganzen Tag einen Bogen um Becka gemacht und sogar in der Pause durchgearbeitet, um ihr aus dem Weg zu gehen. Mindestens zehnmal widerstand er dem Drang, sie wegen gestern zur Rede zu stellen. Falls Becka etwas an seinem Verhalten auffiel, dann drängte sie nicht, sondern machte einfach ihre Arbeit und blieb auf Abstand.
    Kenny ging herum, um sich bei den Leuten zu bedanken und sie heimzuschicken. Zuletzt blieb nur noch sein handverlesenes Rumpfteam. Als der letzte Kunde versorgt war, schloss Kenny die Tür und brüllte: »Okay, ziehen wir die Sache durch, damit wir abhauen können!«
    Kenny feuerte die ganze Crew zu Höchstleistungen an. In den nächsten zwanzig Minuten wirbelten sie wie Derwische durch die Halle – kratzten den Rost ab, leerten die Fettwannen, wischten hinter dem Tresen, putzten die Fenster, fegten und scheuerten die Böden. Kenny hatte eine kleine tragbare Anlage aufgebaut, schloss seinen iPod an, und die Wände wackelten von einer durchgeknallten Mischung aus Hardcore-Rap und Metal. Am Ende war alles makellos sauber. Im Gegensatz zu Denzel, der jeden Abend mit unbefleckten Fingernägeln nach Hause fuhr, kniete sich Kenny genauso rein wie alle anderen.
    Jude bemerkte, dass Roberto ein großes, vier Liter fassendes Senfgefäß aus Plastik reinigte. »Was machst du da, Berto?«
    Roberto grinste. »Kennys Idee. Unsere Belohnung für gute Arbeit.«
    Als sie ausstempelten, füllte Roberto zwei Senfgefäße mit Bier aus dem Hahn. DaJon stand an der Hintertür Wache.
    »Lasst euch bloß nicht damit sehen«, mahnte Kenny. »Am besten, ihr legt ein Handtuch drüber oder so.«
    »Kommst du mit, Kenny?«, fragte Roberto.
    Kenny schüttelte grinsend den Kopf. »Muss Leute machen, Sachen treffen. Bleibt nicht in der Nähe der Halle. Geht rüber zu den Dünen, ganz hinten am Parkplatz. Wenn ihr erwischt werdet – ich weiß von nichts.«
    Ausgelassen zog die Gruppe los und schmuggelte die Senfgefäße voller Bier in die Sanddünen. Es war ein aufregendes, begeisterndes Gefühl: ein Haufen Malocher unterwegs zur Stammkneipe. Bier, das sie sich verdient hatten. Nicht genug, um sich total zu besaufen oder auch nur einen Alkoholtest zu versieben, aber es reichte, um nach einem langen Tag ein bisschen die Kurve zu kriegen.
    Nur noch Jude, Roberto, DaJon, Ivan, Daphne und Becka waren dabei. Roberto wollte auf keinen Fall über den heißen Parkplatz latschen – »da spiele ich lieber Himmel und Hölle auf der Sonne« – und rollte mit DaJon und Ivan in der Karre seiner Mutter herüber.
    Auch Becka holte ihr Auto und bot Jude und Daphne an, sie mitzunehmen. »Danke, ich geh lieber«, antwortete Jude. »Fahrt ihr mal los.«
    Becka sah ihn fragend an: Das meinst du doch nicht ernst, oder? Also gab er nach und kletterte auf den Rücksitz. Jude fühlte sich verkrampft und unwohl in dem heißen Wagen.
    Zum Glück nahm Daphne nichts von der Anspannung wahr und erzählte von ihrer ehrenamtlichen Arbeit in einem Tierheim. »Das ist kein Witz, ehrlich. Nach dem Tod der alten Lady haben wir in dem Haus über fünfundsiebzig Katzen entdeckt.«
    »O Gott«, ächzte Becka.
    »Das hättest du sehen müssen, Beck. Sie waren krank und unterernährt, das hat mir echt das Herz gebrochen. Es war einfach furchtbar.«
    »Hat denn keiner was davon mitgekriegt?«, fragte Jude.
    »Das hab ich auch gesagt.« Daphne wandte sich zu ihm nach hinten. »Da war bloß diese alte, einsame Frau, die ganz allein gewohnt hat …«
    »Nur mit einer Million Katzen«, warf Jude ein.
    »Das macht mich traurig«, meinte Becka. »Die arme Frau.«
    »Die armen Katzen«, korrigierte Daphne.
    Sie parkten und sammelten sich in einem lockeren Kreis in einer Senke zwischen den Dünen. Sie zogen Schuhe und Socken aus, um das Reiben des warmen Sands zwischen den Zehen zu

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