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Bevor du gehst

Bevor du gehst

Titel: Bevor du gehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Preller
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bemüht, Jude zu trösten und sogar den abgewrackten Spruch herausgezogen, dass es im Meer noch viele andere Fische gibt. »Steiger dich da nicht rein, Jude«, mahnte Corey. »Sie ist nur eine von vielen. Es gibt haufenweise andere Schnecken. Schau dich um. Der Planet ist schön.«
    Jude wusste, dass Corey kein Wort davon glaubte. Keiner von beiden hatte so eine Einstellung zu Mädchen. Becka war nicht bloß irgendein Fisch im Meer, irgendeine flache Flunder im tiefblauen Wasser. Becka war anders, was Besonderes. Sie hatten einen Draht zueinander, das stand für Jude fest. Und es tat einfach nur weh.
    Er sah in den Abfalleimern nach. Nacheinander stopfte er den Inhalt mit Papptabletts nach unten und hoffte, auf keinen zu stoßen, der geleert werden musste. Doch auch diese lästige Tätigkeit gehörte zu seinem Job, und wenn nötig zog er die pralle, durchweichte Plastiktüte heraus und befestigte eine neue in dem schmuddeligen, übelriechenden Eimer. Halb schleifte und halb trug er die widerlich tropfenden Beutel schließlich nach hinten zum Müllcontainer. Spaß war was anderes.
    Roberto fand Jude neben der Tonne. »Er kommt! Jessup fährt nach Hause, weil er krank ist. Sie schicken ihn zu uns nach West End Two.«
    Judes Kopf war wie zugekleistert. Er begriff nichts.
    »Kenny Mays«, erklärte Roberto. »Er springt für Denzel ein.«
    »Bist du in den Typen verknallt, oder was?«, fragte Jude. »Nicht, dass daran was Falsches wäre, aber irgendwie wundere ich mich schon über dich, Roberto.«
    »Klappe, Lumbus. Wirst schon sehen.« Roberto hüpfte praktisch vor Aufregung, als er an seinen Posten hinter dem Tresen zurückkehrte.
    Jude seufzte. Am liebsten wäre er in den Container gekrochen, um ein wenig zu dösen.
    Als der neue Chef Kenny Mays eintraf, arbeitete Jude gerade am Bratrost. Kenny war eher klein und hatte einen großen Zinken, ein Student mit welligem Haar, das ihm bis über die Ohren reichte. Mit verstohlenen Blicken verfolgte Jude, wie Kenny sich allen vorstellte und Namen lernte. Eigentlich hatte er nichts besonders Wunderbares an sich, er wirkte nur sehr … real. Uneingebildet.
    Kenny angelte sich eine Brezel aus dem Wärmebehälter und biss davon ab. Er wandte sich an Jude. »Hast du die gemacht?«
    Jude schüttelte den Kopf und deutete auf Emilio.
    »Emilio, richtig?« Kenny lächelte. »Wann hast du die Brezeln gemacht?«
    Emilio zuckte die Achseln. »Weiß nicht, als ich angekommen bin. Vor zwei Stunden.«
    »Hier, probier mal.« Kenny riss ein Stück ab und reichte es Emilio, der nachdenklich darauf herumkaute.
    »Bist du stolz auf diese Brezel?«, wollte Kenny wissen.
    Emilio schielte zu Jude und richtete den Blick wieder auf den neuen Chef. Anscheinend war er sich nicht ganz sicher, ob er verarscht wurde. »Es ist eine Brezel.« Erneut zuckte er die Achseln.
    »Sei mir nicht böse«, erwiderte Kenny, »aber sie schmeckt wie ein alter Schuh, auf den ein Hund gepinkelt hat.«
    Emilio hörte auf zu kauen und schluckte.
    »Nimm alle raus und schmeiß sie weg. Du darfst die Brezeln nicht zu lange im Wärmebehälter lassen, sonst werden sie zu Pappe.« Kenny zeigte Emilio, wie er die nächste Ladung machen sollte: nicht so viel Salz, weniger braun, eher golden.
    Im Lauf des Tages erwies sich Kenny als unermüdliches Energiebündel. Er rannte von einem Platz zum anderen, machte Witze mit dem Team, schnappte sich zwei kräftige Kerle, um die Fässer im begehbaren Kühlschrank anders anzuordnen, und so weiter. Er ackerte und brachte alle anderen dazu, ebenfalls zu ackern. Da begriff Jude, dass es hier wie bei einer Gitarre vor allem um den Ton ging. Nicht darum, was man sagte, sondern wie man es sagte. Wörter waren nur Wörter, grammatische Einheiten, die vom Sound getragen wurden. Und das Komische war, dass der Sound mehr bedeutete als die Wörter. Man konnte auf achthundert verschiedene Arten »Mach die Tür zu« sagen. Und wenn Kenny einen aufforderte, die Klos zu putzen, spurtete man hinüber zu den Toiletten, um begeistert zu wischen. Er hatte die Fähigkeit, jede Aufgabe gut klingen zu lassen.
    Als am späten Nachmittag der Andrang nachließ, zog Kenny Jude beiseite. »Hey Jude, hey Jude, hey Judy, Judy, Jud- EEE !« Er sang die Textzeile wie zahllose andere vor ihm. »Du kennst die Leute hier besser als ich. Wen schicke ich heim, und wen behalte ich hier für das große Rodeo?«
    Jude zog die Brauen hoch. »Ein Rodeo? Wo alle Yee-Haw schreien?«
    »Die Halle aufräumen, saubermachen. Da

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