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Bevor du gehst

Bevor du gehst

Titel: Bevor du gehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Preller
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losgelassen hatte, starrte ihn Vinnie knopfäugig an. »Ich muss jeden Tag an ihn denken«, flüsterte er schließlich. Vinnie schaute ihn weiter an, als wartete er auf etwas. »Ich bin total fertig«, fuhr er schließlich fort. »Seit … du weißt schon.« Seine Augen drehten sich leicht nach oben.
    Jude musste einsehen, dass Vinnie wirklich voll war. »Hast du was genommen?«
    »Wieso?«
    »Hast du eine Pille geschluckt oder so?«
    Vinnies Kopf schwankte auf dem Hals, und sein Blick pendelte sich irgendwo fünfzehn Zentimeter rechts von Judes Stirn ein. »Sagen wir einfach, dass ich heute Abend keine Schmerzen habe«, erklärte er.
    »Pass lieber auf«, mahnte Jude, doch Vinnie hörte gar nicht zu.
    »Du – du …« Plötzlich deutete Vinnie auf Judes Brust. »Er war dein bester Freund. Auf der ganzen Welt. Ihr zwei wart wie …«
    »Ich weiß.« Jude trank mit Vinnie auf Coreys Andenken, auf die Freundschaft, auf das College, das in einem Jahr wartete, und darauf, dass sie es endlich aus der verdammten Kleinstadt rausschafften.
    »Bei einer Party kommt man auf andere Gedanken.« Vinnie leerte sein Bier. Dann stand er auf, um sich unters Volk zu mischen.
    »Hey, Hengst«, rief ihm Jude nach. »Schau, dass du nicht ins Feuer fällst.«
    »Hey, Mann«, sagte Vinnie. »Fast hätt ich’s vergessen. Becka ist hier.«
    »Scheiße. Hat sie dich gesehen?«
    »Ein bisschen, ja.«
    »Sie hat dich ein bisschen gesehen?« Jude musste grinsen. »Und was soll das heißen, Hengst?«
    »Das heißt, dass ich noch ein Bier brauche, Kumpel.« Vinnie richtete sich gerade auf. Er zog den Gürtel zurecht und rülpste, dann steuerte er halb stolzierend, halb stolpernd wieder auf die Party zu. Der ausgestreckte Arm mit dem leeren Becher diente ihm als Orientierung.
    Auch Jude brauchte jetzt noch ein Bier.
    Anscheinend war Becka irgendwie zu der Party eingeladen worden. Über mehrere Ecken vermutlich. Im Grunde spielte es sowieso keine Rolle. Sie waren nicht mehr zusammen. Trotzdem versetzte es Jude einen Stich, als er sie auf der anderen Seite der Lichtung im Gespräch mit einer Gruppe Mädchen erspähte. Mit verschränkten Armen stand sie da und zog an ihren Ellbogen. Hörte zu, wie jemand eine Geschichte erzählte, und lachte ein wenig. Ihre Anwesenheit verunsicherte Jude.
    Er entdeckte das Fass und drängte sich zwischen ein paar Typen durch.
    Plötzlich tauchte sie neben ihm auf. »Hallo, Fremder.«
    »Ah, hi, Becka.« Er schenkte ihr einen Becher ein. »Ich wusste gar nicht, dass du Susan … ähm … Irgendwas kennst.«
    »Klingt eher, als würdest du sie nicht kennen«, antwortete Becka. In ihrer Stimme lag eine leichte Schärfe, eine Warnung, als hätte sie vor ihren Füßen eine Handvoll Reißnägel verstreut.
    Jude nickte und beobachtete die Massen. »Schon eine Weile her, dass ich zum letzten Mal draußen war.«
    Becka nickte und verlagerte das Gewicht. Sie blickte nach hinten. »Hör zu, ich …« Sie verstummte und deutete mit dem Daumen auf ihre Freundinnen. »Also mach’s gut.«
    »Klar. Ich bin noch länger da, die Party fängt ja erst an.« Fast unmerklich beugte sich Jude vor, wie um sie zu umarmen oder auf die Wange zu küssen.
    Becka wandte sich ab und entfernte sich. »Ich bin auch noch länger da«, rief sie über die Schulter. Nach einer Einladung klang das allerdings nicht.
    Scheiße, die kann mich mal.
    Später, als er schon ein wenig oder vielleicht sogar ziemlich betrunken war, stieß Jude auf Dani Remson, mit der er sich lachend unterhielt. Wie üblich sah sie wahnsinnig gut aus, die Haut glatt und leuchtend. Dani war kurz mit Corey zusammen gewesen, und Jude bemerkte das süße Mitgefühl in ihren Augen, armer Jude. Er wusste, dass er sie haben konnte, wenn er wollte.
    Anscheinend war Dani Judes Blick in Beckas Richtung aufgefallen. »Ich bin ein bisschen durcheinander«, sagte sie. »Du schaust immer wieder zu ihr rüber. Seid ihr zwei irgendwie noch zusammen?«
    »Nicht mehr«, antwortete Jude. »Es ist vorbei.«
    Strahlend zeigte Dani ihre perfekten Zähne. »Gut.«
    Jude sah sich um und beugte sich zu Dani. »Diese Party …«
    »… ist tot.« Dani legte Jude die Hand auf die Brust. »Vielleicht … ein Szenenwechsel?«
    Ohne sich um Becka, den Hengst oder jemand anders zu kümmern, verließ Jude die Party mit Dani an seiner Seite.
    So kann es manchmal gehen. Man will jemandem wehtun – vielleicht einem Freund, einem Fremden oder sich selbst – und, verdammt, man macht es einfach. Manche Freunde

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