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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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gesessen.«
    Jetzt wird mir klar, warum Adam anders ist als Zoey oder
sonst irgendwer, den ich in der Schule gekannt habe. Es ist eine Wunde, die uns beide verbindet.
    Er sagt: »Ich hab gedacht, es würde helfen, wenn wir aus unserem alten Haus wegziehen, aber das hat auch nicht viel gebracht. Sie nimmt immer noch tausend Tabletten am Tag.«
    »Und du kümmerst dich um sie?«
    »So ziemlich.«
    »Was ist mit deinem eigenen Leben?«
    »Ich kann’s mir nicht so richtig aussuchen.«
    Auf der Bank dreht er sich zu mir um. Dabei sieht er aus, als sähe er mich wirklich, als wüsste er etwas über mich, das nicht mal ich selber weiß.
    »Hast du Angst, Tessa?«
    Das hat mich noch keiner gefragt. Noch nie. Ich sehe ihn an, um mich zu vergewissern, dass er mich nicht verarschen will oder aus reiner Höflichkeit fragt, aber er weicht meinem Blick nicht aus. Also erzähle ich ihm, dass ich Angst im Dunkeln habe, Angst vor dem Einschlafen, vor Schwimmhäuten zwischen den Fingern, vor engen Räumen, vor Türen.
    »Es kommt und geht. Die Leute glauben, wenn man krank ist, würde man furchtlos und tapfer werden, aber das stimmt nicht. Die meiste Zeit ist es, wie wenn man von einem Durchgeknallten verfolgt wird, so als könnte ich jeden Moment niedergeschossen werden. Dann wieder vergesse ich es stundenlang.«
    »Wobei kannst du vergessen?«
    »Wenn ich mich mit Leuten treffe. Sachen mache. Als ich mit dir im Wald war, hab ich es einen ganzen Nachmittag lang vergessen.«
    Er nickt ganz langsam.
    Dann kommt Schweigen auf. Nur ein ganz kleines, aber es hat eine bestimmte Form, wie ein Kissen um eine kantige Kiste.
    Adam sagt: »Ich mag dich, Tessa.«
    Als ich schlucke, tut mir der Hals weh. »Wirklich?«

    »Damals, als du vorbeigekommen bist, um dein Zeugs ins Feuer zu schmeißen, hast du gesagt, du wolltest deine ganzen Sachen loswerden. Du hast mir gesagt, dass du mich aus deinem Fenster beobachtest. Die wenigsten Leute reden so.«
    »Hab ich dich damit abgeschreckt?«
    »Im Gegenteil.« Er betrachtet seine Füße, als erwarte er sich von ihnen Unterstützung. »Aber ich kann dir nicht geben, was du willst.«
    »Was ich will?«
    »Ich komm grade mal so zurecht. Wenn zwischen uns irgendwas passieren würde, dann wär das irgendwie so, ja, was soll das Ganze?« Er rutscht auf der Bank hin und her. »Das hört sich jetzt saublöd an.«
    Ich fühle mich seltsam unantastbar, während ich aufstehe. Ich spüre, wie ich ein inneres Fenster dichtmache, eins, das Temperatur und Gefühle reguliert. Ich fühle mich starr wie ein Blatt im Winter.
    »Wir sehen uns«, sage ich.
    »Du gehst?«
    »Ja, ich hab noch was in der Stadt zu erledigen. Sorry, ich hab nicht auf die Zeit geachtet.«
    »Du musst genau jetzt gehen?«
    »Ich bin mit Freunden verabredet. Sie warten auf mich.«
    Er tastet im Gras nach den Sturzhelmen. »Lass dich von mir fahren.«
    »Nein, nein, ist schon okay. Einer von denen wird mich abholen. Sie haben alle Autos.«
    Er schaut verdattert drein. Ha! Gut! Das wird ihn lehren, genau wie alle anderen zu sein. Ich mach mir nicht mal die Mühe, mich zu verabschieden.
    »Warte!«, ruft er hinter mir her.
    Aber ich denke nicht daran. Auch nicht daran, mich umzuschauen.

    »Der Weg ist vielleicht rutschig!«, ruft er. »Es fängt an zu regnen.«
    Hab ich doch gesagt. Ich hab gewusst, es würde regnen.
    »Tessa, lass mich dich hinbringen!«
    Aber wenn er sich einbildet, ich würde hinter ihm auf seine Maschine steigen, hat er sich geschnitten.
    Das war ein schwerer Fehler von mir zu glauben, er könnte mich retten.

SIEBZEHN
    I ch fange mit Körperverletzung an, ramme einer Frau meinen Ellbogen fest in den Rücken, als ich in den Bus einsteige. Mit wütendem Blick wirbelt sie herum.
    »Au!«, kreischt sie. »Passen Sie doch auf!«
    »Der war’s!«, behaupte ich und zeige auf den Mann hinter mir. Er hört nicht, hat zu viel damit zu tun, ein schreiendes Kind zu tragen und in sein Handy zu brüllen, um mitzubekommen, dass ich ihn gerade angeschwärzt habe. Die Frau geht an mir vorbei. »Arschloch!«, sagt sie zu ihm.
    Das hört er.
    In dem Tumult drücke ich mich um das Bezahlen und suche mir einen Platz im hinteren Bereich. Drei Delikte in unter einer Minute. Nicht übel.
    Bei meinem Abstieg habe ich die Taschen von Adams Motorradjacke durchwühlt, aber nichts außer einem Feuerzeug und einer verbogenen alten Selbstgedrehten gefunden, den Bus hätte ich also sowieso nicht bezahlen können. Ich beschließe, Verbrechen Nummer vier zu

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