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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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Sein Blick umschließt meinen. Ich schlürfe, schlucke. Er lässt mir Zeit zu atmen, ehe er das Glas wieder kippt. Als ich genug habe, wischt er meinen Mund mit einer Papierserviette ab.
    »Wie bei einem Baby«, sage ich ihm.
    Er nickt. Tränen treten ihm in die Augen.
    Ich schlafe. Und wache wieder auf, diesmal mit einem Mordshunger.
    »Kann ich ein Eis haben?«
    Grinsend legt Dad sein Buch weg. »Momentchen.« Er bleibt nicht lange weg, kommt mit einem Erdbeereis am Stiel wieder. Den Stiel umwickelt er mit einer Papierserviette, damit es nicht tropft, und ich kann es selbst halten. Es ist unwahrscheinlich köstlich. Mein Körper stellt sich selbst wieder her. Ich hatte keine Ahnung, dass er noch dazu fähig ist. Mit einem Erdbeereis in der Hand werde ich nicht sterben, das weiß ich.
    »Gut möglich, dass ich nach diesem noch eins möchte.«

    Dad sagt mir, dass ich so viel Eis haben kann, wie ich will, von ihm aus auch fünfzig. Bestimmt hat er vergessen, dass ich weder Zucker noch Milchprodukte essen darf.
    »Ich hab noch was für dich.« Er durchstöbert seine Jackentasche und fischt einen Kühlschrankmagneten raus: herzförmig, rot angemalt und stümperhaft mit Klarlack glasiert. »Den hat Cal gemacht. Er schickt dir ganz liebe Grüße.«
    »Und Mum?«
    »Sie hat dich ein paarmal besucht. Du warst sehr angegriffen, Tessa. Besuche mussten auf ein Minimum beschränkt werden.«
    »Also war Adam nicht da?«
    »Noch nicht.« Ich lecke den Eisstiel ab, versuche, allen Geschmack aus ihm rauszulutschen. Das Holz ist rau an meiner Zunge.
    Dad fragt: »Soll ich dir noch eins holen?«
    »Nein. Du sollst jetzt gehen.«
    Er schaut verwirrt drein. »Wohin?«
    »Ich will, dass du Cal von der Schule abholst, mit ihm in den Park gehst und Fußball spielst. Ihm Pommes kaufst. Komm später wieder, und erzähl mir alles, was ihr gemacht habt.«
    Dad guckt zwar ein wenig verdutzt, lacht aber. »Ich sehe, du bist voller Energie aufgewacht!«
    »Ich will, dass du Adam anrufst. Sag ihm, er soll mich heute Nachmittag besuchen.«
    »Sonst noch was?«
    »Sag Mum, ich will Geschenke – teuren Saft, massenhaft Zeitschriften und neues Make-up. Wenn sie sonst schon zu nichts gut ist, kann sie mir wenigstens Sachen kaufen.«
    Dad sieht schadenfroh aus, als er sich einen Zettel schnappt und die Make-up- und Lippenstiftmarke aufschreibt, die ich haben will. Er ermuntert mich dazu, mir mehr Dinge einfallen zu lassen, die ich mir wünsche, also bestelle ich Blaubeermuffins,
Kakao und einen Sechserpack gefüllte Schokoeier. Schließlich geht es auf Ostern zu.
    Er küsst mich dreimal auf die Stirn und versichert mir, dass er bald wiederkommt.
    Als er weg ist, landet ein Vogel auf dem Fenstersims. Es ist kein sensationeller Vogel, kein Geier oder Phönix, sondern ein gewöhnlicher Star. Eine Schwester kommt rein, macht sich an dem Bettzeug zu schaffen, füllt meinen Wasserkrug. Ich zeige ihr den Vogel, witzle, er wäre der Späher des Todes. Mit zusammengekniffenen Lippen warnt sie mich davor, mein Schicksal herauszufordern.
    Aber der Vogel schaut mich mit schief gelegtem Köpfchen an.
    »Noch nicht«, sage ich ihm.
     
    Der Arzt kommt auf Visite. »Na also«, sagt er, »haben wir schließlich doch das richtige Antibiotikum gefunden.«
    »Irgendwann schon.«
    »Eine Zeit lang war’s allerdings ein bisschen unheimlich.«
    »Echt?«
    »Ich hab gemeint, für dich. Ein solches Infektionsstadium kann sehr verwirrend sein.«
    Während er mich abhorcht, lese ich sein Namensschild. Dr. James Wilson. Er ist ungefähr so alt wie mein Dad, hat dunkle Haare, beginnende Halbglatze. Müde sieht er aus. Er untersucht mich an Armen, Beinen und Rücken auf Hautblutungen, ehe er sich auf den Stuhl am Bett setzt und etwas in meine Krankenakte schreibt.
    Ärzte erwarten, dass man höflich und dankbar ist. Das erleichtert ihnen die Arbeit. Aber mir ist heute nicht taktvoll zumute.
    »Wie viel Zeit hab ich noch?«
    Überrascht schaut er auf. »Wollen wir mit diesem Gespräch nicht lieber warten, bis dein Vater wieder da ist?«

    »Warum?«
    »Damit wir miteinander die medizinischen Alternativen besprechen können.«
    »Ich bin krank, nicht mein Vater.«
    Er steckt seinen Stift wieder ein und spannt die Kinnmuskeln an. »Ich möchte mich von dir nicht auf einen bestimmten Zeitablauf festlegen lassen, Tessa. Damit ist keinem geholfen.«
    »Doch, mir.«
    Es ist nicht so, dass ich beschlossen hätte, tapfer zu sein. Hier geht es nicht um einen guten Vorsatz zum Neuen Jahr.

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