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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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drückt dagegen. Mir wird klar, dass er einsam ist. »Tut mir leid.«
    »Zu Recht.«
    Er sieht mich nicht an. Ich glaube, er unterdrückt seine Tränen.
    Er bleibt den ganzen Nachmittag. Wir gucken MTV, dann liest er die Zeitung, die mein Dad dagelassen hat, und ich nicke noch mal ein. Obwohl er ganz in meiner Nähe ist, träume ich von ihm. Zu zweit waten wir durch Schnee, aber weil uns heiß ist, haben wir Badesachen an. Da sind menschenleere Wege und reifbedeckte Bäume und eine Straße, die sich endlos dahinschlängelt.
    Als ich aufwache, habe ich wieder Hunger, deshalb schicke ich ihn nach noch einem Erdbeereis. Kaum ist er weg, fehlt er mir. Es ist, als hätte sich das ganze Krankenhaus geleert. Wie kann das sein? Ich kralle meine Hände unter der Bettdecke ineinander, bis er wieder zu mir ins Bett kommt.
    Er wickelt das Eis aus und reicht es mir. Ich lege es auf den Nachttisch.
    »Fass mich an.«
    Er schaut verwirrt drein. »Dein Eis schmilzt.«
    »Bitte.«
    »Ich bin doch hier. Ich berühr dich doch.«
    Ich führe seine Hand an meine Brust. »So.«
    »Nein, Tess, ich will dir nicht wehtun.«
    »Das wirst du nicht.«
    »Und die Schwester?«
    »Wir werfen mit der Bettpfanne nach ihr, wenn sie reinkommt.«
    Sehr sanft umfasst er meine Brust durch meinen Pyjama. »So?«

    Er berührt mich, als wäre ich zerbrechlich, als wäre er hin und weg von mir, als würde mein Körper ihn faszinieren, selbst jetzt, wo er versagt. Als seine Haut meine berührt, Haut an Haut, erschauern wir beide.
    »Ich will mit dir schlafen.«
    Seine Hand stockt. »Wann?«
    »Wenn ich nach Hause zurückkomme. Noch einmal, bevor ich sterbe. Ich will, dass du es mir versprichst.«
    Der Ausdruck in seinen Augen macht mir Angst. Den sehe ich zum ersten Mal. So tief und echt, als hätte er Dinge auf der Welt gesehen, die andere sich allerhöchstens vorstellen könnten.
    »Versprochen.«

VIERUNDDREISSIG
    S ie wechseln sich ab wie Pförtner. Dad kommt jeden Vormittag, Adam jeden Nachmittag. Abends kommt Dad mit Cal wieder. Mum besucht mich unregelmäßig und schafft es bei ihrem zweiten Besuch, eine gesamte Bluttransfusion durch zu bleiben.
    »Hämoglobin und Thrombozyten im Anflug«, sagte sie, als ich angeschlossen wurde.
    Mir gefiel, dass sie die Wörter kannte.
    Aber zehn Tage! Ich habe sogar Ostern verpasst. Und viel zu viel Zeit verloren.
    Jeden Abend liege ich in meinem Krankenhaus-Einzelbett und sehne mich nach Adam, nach seinen mit meinen verschlungenen Beinen, nach seiner Wärme.
    »Ich will nach Hause«, sage ich der Schwester.
    »Noch nicht.«
    »Es geht mir besser.«
    »Aber noch nicht gut genug.«
    »Auf was hoffen Sie? Heilung?«
    Jeden Morgen hievt sich die Sonne hoch, und in der Stadt gehen die Lichter aus. Wolken jagen über den Himmel, auf dem Parkplatz herrscht ein Irrsinnsverkehr, bis die Sonne wieder hinter dem Horizont versinkt und noch ein Tag vorbei ist. Gedrängte Zeit. Blutandrang.
    Ich packe meine Tasche und ziehe mich an. Auf dem Bett sitzend, gebe ich mir alle Mühe, munter auszusehen. Ich warte auf James.

    »Ich geh nach Hause«, teile ich ihm mit, als er meine Akte studiert.
    Er nickt, als hätte er nichts anderes erwartet. »Dein Entschluss steht fest?«
    »Ganz fest. Mir fehlt das Wetter.« Ich zeige zum Fenster, nur für den Fall, dass er zu beschäftigt war, um das sanfte Licht und die Schäfchenwolken am blauen Himmel zu bemerken.
    »Es braucht eine gewisse Disziplin, um diesen Blutstatus aufrechtzuerhalten, Tessa.«
    »Kann ich nicht zu Hause diszipliniert sein?«
    Er sieht mich sehr ernst an. »Die Qualität des dir verbliebenen Lebens hängt auf Messers Schneide von der zu seiner Aufrechterhaltung nötigen medizinischen Intervention ab. Du als Einzige kannst das beurteilen. Meinst du, dass es dir reicht?«
    Ich denke immerzu an die Zimmer in unserem Haus, die Farben der Teppiche und Vorhänge, und wie die Möbel stehen. Einen bestimmten Weg gehe ich besonders gern: aus meinem Zimmer die Treppe runter und durch die Küche in den Garten. Diesen Weg will ich gehen. Ich will in meinem Liegestuhl auf dem Rasen sitzen.
    »Die letzte Transfusion hat nur drei Tage vorgehalten.«
    Er nickt mitfühlend. »Ich weiß. Es tut mir leid.«
    »Heute Morgen hatte ich noch eine. Was schätzen Sie, wie lange die reichen wird?«
    Er seufzt. »Ich weiß es nicht.«
    Mit der flachen Hand streiche ich über den Bettbezug. »Ich will nach Hause.«
    »Und wenn ich mit dem städtischen Pflegeteam rede? Wenn ich sie dazu bringen

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