Bevor ich sterbe
vorigen Geburtstag bekam, mein Amberlitearmband. Dann findet er alberne Gegenstände – ein Schneckenhaus, eine Feder, einen besonderen Stein. Er entdeckt eine
Schlammpfütze und trampelt drin rum. Das bringt Dad zum Lachen. Auf seinen Besen gestützt, lacht er aus vollem Hals. Cal mit.
Sanft pladdert der Regen an die Fensterscheibe, wäscht die beiden durchsichtig.
SECHSUNDDREISSIG
U nd, wolltest du es mir überhaupt sagen?«
Von der Stuhlkante, auf der er hockt, wirft Adam mir einen finsteren Blick zu. »Es war schwierig.«
»Also nicht.«
Er zuckt die Schultern. »Ich hab’s ein paarmal versucht. Es kam mir nur so ungerecht vor, so: Warum kann ausgerechnet ich weiterleben?«
Ich lehne mich im Bett vor. »Ertrink ja nicht in Selbstmitleid, weil du ein Hinterbliebener sein wirst!«
»Keine Sorge.«
»Denn wenn du nämlich auch sterben willst, dann hab ich einen Plan. Wir fahren mit deiner Maschine raus. Du gehst viel zu schnell in eine Haarnadelkurve, genau in dem Moment, als auf der Gegenfahrbahn ein Schwerlastzug kommt, und wir sterben zusammen – jede Menge Blut, Doppelbeerdigung, unsere Gebeine auf ewig vereint. Wie wär’s damit?«
Er guckt so entsetzt, dass ich lachen muss. Erleichtert grinst er mich an. Das ist, wie wenn man eine Nebelwand durchstößt, so als ginge die Sonne im Zimmer auf.
»Vergessen wir’s, Adam. Es war einfach nur schlecht getimt.«
»Du hast alles aus dem Fenster geworfen!«
»Nicht wegen dir.«
Er lehnt den Kopf gegen die Stuhllehne und schließt die Augen. »Nein.«
Dad hat ihm gesagt, dass ich mit dem Krankenhaus abgeschlossen habe. Alle wissen es. Philippa kommt morgen früh, um meine Möglichkeiten mit mir zu besprechen, obwohl ich nicht glaube, dass es besonders viele geben wird. Die Wirkung der heutigen Transfusion lässt schon nach.
»Wie war’s überhaupt in der Uni?«
Er zuckt die Schultern. »Die war groß, so viele Gebäude. Ich hab mich ein bisschen verlaufen.«
Aber die Zukunft hat ihn gepackt. Seinen Augen sehe ich es an. Er ist in einen Zug gestiegen und nach Nottingham gefahren. Er wird so viele Fahrten ohne mich machen.
»Irgendwelche Mädels kennengelernt?«
»Nein!«
»Gehen die Leute nicht deshalb zur Uni?«
Er steht auf, setzt sich auf die Bettkante und sieht mich sehr ernst an. »Ich geh hin, weil mein Leben nichts wert war, bevor ich dich kennengelernt hab. Ich geh hin, weil ich nicht hier sein will ohne dich, immer noch bei meiner Mutter wohnen und sonst keine Änderung. Wenn du nicht gewesen wärst, wär ich gar nicht erst auf die Idee gekommen wegzuziehen.«
»Wetten, am Ende vom ersten Semester hast du mich schon vergessen.«
»Wetten, dass nicht.«
»Das ist praktisch die Regel.«
»Hör auf! Muss ich erst was Ungeheuerliches machen, damit du mir glaubst?«
»Ja.«
Er grinst. »Was schlägst du vor?«
»Dein Versprechen halten.«
Er greift nach der Decke, um sie anzuheben, aber ich falle ihm in den Arm. »Mach erst das Licht aus.«
»Warum? Ich will dich sehen.«
»Ich bin klapperdürr. Bitte.«
Seufzend knipst er das Deckenlicht aus und setzt sich wieder aufs Bett. Ich glaube, ich habe ihn verschreckt, weil er nicht wieder reinzusteigen versucht, sondern mich durch die Decke streichelt – mein Bein vom Oberschenkel bis zum Knöchel, mein anderes Bein entlang. Seine Hände sind sich ihrer Sache sicher. Ich fühle mich wie ein Instrument, das gestimmt wird.
»Ich könnte Stunden mit jedem einzelnen Körperteil von dir verbringen«, sagt er. Dann lacht er, als wäre es uncool, so was zu sagen. »Du bist so wunderschön.«
Unter seinen Händen. Weil seine Finger meinem Körper Form geben.
»Ist das okay, wenn ich dich so streichle?«
Als ich nicke, rutscht er vom Bett, kniet sich auf den Teppich und hält meine Füße in beiden Händen, wärmt mich durch meine Socken.
Er massiert sie so lange, dass ich fast einschlafe, aber ich wache auf, als er mir meine Socken auszieht, beide Füße an seinen Mund hält und sie küsst. Mit der Zunge umspielt er jeden Zeh. Mit den Zähnen scharrt er über meine Fußsohlen. Er leckt meine Fesseln.
Ich habe gedacht, mein Körper würde keine Hitze mehr aufbauen, keine so lustvolle Hitze, wie ich sie früher mit ihm zusammen empfunden habe. Als ich den Sog davon wieder spüre, staune ich. Er spürt es auch, das weiß ich. Er zieht sein T-Shirt aus und tritt seine Boots von den Füßen. Unsere Blicke versinken ineinander, während er seine Jeans aufschnallt.
Wie erstaunlich schön er
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