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Bevor ich verbrenne

Bevor ich verbrenne

Titel: Bevor ich verbrenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaute Heivoll
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Ohren. Sie hörte ihn aus dem Bett steigen und etwas murmeln, aber sie verstand die Worte nicht. Dann nickte sie ein und bekam um Mitternacht ein paar Stunden Schlaf. Sie schlief leicht, als würde sie gerade unter der Oberfläche schweben. Bruchstücke aus Träumen kamen angesegelt, aber viel zu verzerrt und entstellt, als gehörten sie jemand anderem.
    Dann wachte sie plötzlich auf, weil jemand die Treppe hinunterging. Das Klirren des Schlüsselbundes, als er sich die Jacke überwarf. Das Klicken des Schlosses. Die Stille im Haus, als das Brummen des Autos leiser wurde und verschwand.
    Nach einer Weile stand sie auf.
    Sie blieb sitzen und lauschte dem gleichmäßigen Ticken der Uhr über dem Kühlschrank. Heißer Dampf stieg aus ihrer Tasse, es waren lange zerfaserte Fahnen, die verwehten und verschwanden.
    Nach einer langen Zeit sah sie, wie ein Auto sich mit hoher Geschwindigkeit über die Ebene näherte. Noch war es stockdunkel. Die Frontscheinwerfer zitterten und bebten. Der Wagen wurde langsamer, als er die Kreuzung erreichte, er bog links ab, und die Scheinwerfer schnitten wie ein Messer in den weißen durchsichtigen Dunst, der über der Erde hing.
    Das war er.
    Das Auto hielt direkt vor der Hauswand. Sie hörte das Autoradio, das noch einige Sekunden spielte, dann wurde es still und die Tür ging auf, seine Schritte auf dem Kies. Sie hörte, wie er draußen auf dem Hof mit sich selbst redete. Sie war es fast schon gewohnt. Plötzlich stellte er sich selbst eine Frage. Oder rief sich zur Ordnung. Sie hatte es schon oft gehört, aber Ingemann nichts davon erzählt. Anfangs passierte es nur, wenn die Musik lief, später auch dann, wenn es ganz ruhig war. Beim ersten Mal hatte sie sich gefürchtet. Sie hatte mit einer Handarbeit im Wohnzimmer gesessen und plötzlich gehört, wie Dag im Dachzimmer mit jemandem sprach. Es hörte sich an, als wäre jemand bei ihm. Ein anderer. Jemand aus der alten Klasse? Sie war nach oben gegangen und hatte an die Tür geklopft, doch als er öffnete, war er allein. Sein Gesicht war zu einer merkwürdigen Grimasse erstarrt, und eigentlich hatte sie sich vor dieser Grimasse gefürchtet. Aber dann waren seine Gesichtszüge wieder milder geworden, alles schmolz dahin, das seltsam verzerrte Gesicht glitt gleichsam fort, und sie sah, dass er es war.
    Alma stand auf, ging zur Tür, blieb mit der dampfenden Tasse in der Hand stehen und lauschte. Auf dem Hof war es ruhig geworden. Dann kam er plötzlich herein.
    »Du bist wach?«, fragte er.
    »Willst du einen Kaffee?«
    »Kaffee mitten in der Nacht?«, erwiderte er.
    »Warum nicht?«
    Sie goss die große weiße Tasse voll und stellte sie auf die andere Seite des Küchentischs, wo eigentlich Ingemanns Platz war.
    »Hast du Hunger?«, fragte sie ihn. »Wir haben frisches Brot.«
    Er setzte sich an den Tisch, während sie das Brot aus dem Schrank holte und drei weiße Scheiben abschnitt, die eine nach der anderen auf die Seite fielen. Er sagte nichts. Er roch nach Frühjahrsnacht und Abgasen.
    »Hast du dich amüsiert?«, erkundigte sie sich.
    »Das kann man wohl sagen«, antwortete er.
    Sie stellte ihm die Marmelade hin, die sie im letzten Sommer eingemacht hatte, außerdem ein bisschen Kräuter- und Molkekäse. Sie baute alles in einem kleinen Halbkreis vor ihm auf. Und goss ein Glas Milch ein.
    »Iss schon«, forderte sie ihn auf.
    »Du musst nicht auf mich warten«, sagte er plötzlich und sah zu ihr auf.
    »Ich kann nicht schlafen«, antwortete sie, verzog ihren Mund zu einem kleinen Lächeln und strich sich das Haar aus der Stirn.
    »Du kannst nicht schlafen?«
    »Nein, mir geht es offenbar wie dir. Du schläfst ja auch nicht.«
    Er antwortete nicht, sah sie nur an und lächelte. Dann sagten sie eine lange Zeit nichts mehr. Ein gutes Gefühl. Es war noch weit bis zum Morgen, weit, bis Ingemann aufstand und der Tag begann. Es gab nur sie beide. Es war schön, ein wenig ungewohnt und unangestrengt, und sie wünschte, dass es nie zu Ende ging. Er aß mit großem Appetit, und sie schnitt weitere Scheiben auf und legte sie auf seinen Tellerrand, wobei sie zu lächeln versuchte. Es war schön zu sehen, wie es ihm schmeckte. So war es immer gewesen: Je mehr er aß, desto besser fühlte sie sich.
    »Es ist kalt draußen«, sagte er, während er kaute und nachdenklich aus dem Fenster sah.
    »Frierst du? Soll ich dir einen Pullover holen?«
    Er schüttelte den Kopf, trank das Glas Milch aus, stand auf und wollte gehen. Sie wusste sofort, dass

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