Bevor ich verbrenne
zurückhalten, es überkam sie einfach, und er spielte klar und einfach und ganz ohne Fehler. So saß sie da, als er sich abrupt erhob und den Deckel zuschlug, dass sich ein dunkles Tongewitter entlud.
»Jetzt kannst du erzählen«, flüsterte sie.
»Ja«, sagte er.
»Erzähl mir alles, Dag«, sagte sie und stand ebenfalls auf.
In diesem Moment klingelte das Telefon.
Sie starrte ihn einen Moment entsetzt an, zu mehr kam es nicht, denn er war bereits im Flur, hob den Hörer ab und meldete sich mit gedämpfter Stimme. Sie kam aus der Tür und sah, wie er etwas auf einem Block notierte.
Dann rief er nach Ingemann.
Es brennt! Es brennt!
Augenblicklich schnitt sie mehr Brot und Käse auf und schmierte zwei Butterbrotpakete, dann goss sie den Rest des Kaffees in eine Thermoskanne, und genau in diesem Moment ging im Halbdunkel die Sirene los. Dag hatte sie eingeschaltet, er musste gerannt sein, denn als er wieder hereinkam, war er verschwitzt und außer Atem. Es heulte so durchdringend, dass die guten Gläser im Schrank klirrten. Ingemann kam die Treppe herunter und knöpfte sich die letzten Hemdknöpfe zu. Er war noch im Halbschlaf, die Augen schwammen, das Haar stand in alle Richtungen, aber es half nichts. Ein Haus stand in Flammen, und er war der Brandmeister. Sie hatten keine Zeit zu verlieren. Den Wagen aus der Garage holen, die Sirene und das Blaulicht einschalten. Fahren, so schnell es ging. Ankommen. Überblick verschaffen. Dag stand längst bereit, er hatte sein Hemd bis zum Hals zugeknöpft und trat im Flur von einem Bein aufs andere.
»Willst du nicht mehr anziehen?«, fragte Alma.
»Mama, es brennt, ich habe keine Zeit«, antwortete er, ohne sie anzusehen.
»Aber du hast ja nur ein Hemd an, Dag.«
Mehr brachte sie nicht heraus, denn er war bereits aus der Tür und rannte im Halbdunkel zur Feuerwache. Einige Minuten später hörte sie die Sirene des Wagens, die sich mit dem langen klagenden Heulen des Feueralarms mischte. In aller Eile stopfte sie die Brote in eine Tüte, die sie Ingemann in die Hand drückte, bevor auch er durch die Tür verschwand, hinaus zum Feuerwehrwagen, in dem Dag hinterm Steuer saß und wartete.
VIII
Am 7 . Juni 1978 druckte Fædrelandsvennen ein längeres Interview mit Olav und Johanna Vatneli. Der Brand lag gut zwei Tage zurück. Es ist das Interview, an das ich mich erinnerte, als ich an ihrem Grab stand. Olav bezeichnete sich selbst darin als weich und Johanna als ruhig.
Die beiden sitzen in der Kellerwohnung von Knut Karlsen. Olav, in einem karierten Hemd und losen Hosenträgern auf der Bettkante, er starrt apathisch in die Luft. Johanna neben ihm auf einem Stuhl, die Hände erschöpft im Schoß, mit einem kleinen Lächeln um den Mund, als würde sie all dies eigentlich gar nichts angehen. Hinter ihnen eine kleine Wandleuchte, deren Stecker in der Luft baumelt.
Am Vortag haben sie sich in der Stadt Kleidung gekauft. Zwei Sommerkleider, ein Paar Hosen, Hemden, Unterwäsche. Zwei paar Schuhe. Außerdem haben beide einen Abdruck für neue Zahnprothesen machen lassen.
Olav und Johanna Vatneli haben alles verloren, sitzen in der Kellerwohnung eines Nachbarn und fragen sich, wie es mit ihnen wohl weitergeht.
Johanna berichtet noch einmal von dem Brand, von dem Knall in der Küche, von dem Flammenmeer, dem Schatten vor dem Fenster und allem, was seither passiert ist. Am Vormittag hatten sie Besuch von Alma und Ingemann. Dies wird in einem einzigen Satz gesagt und später nie wieder erwähnt, und doch scheint dieser Satz gleichsam aufzuleuchten.
Im weiteren Verlauf des Interviews sprechen sie über Kåre. Es erschien ihnen wohl normal, von ihm zu erzählen, sie hatten ja sonst alles verloren. Dort, im Keller von Knut Karlsen, ist es neunzehn Jahre her, seit er starb. Er war ihr einziges Kind. Nach Kåre gab es nichts mehr, und nachdem nun das Haus und auch alles andere fort sind, schien Kåre offenbar wieder zurückzukommen.
So ist die Situation.
Das Ganze ist so unwirklich. Es ist nicht zu begreifen. Olav ist zwar wieder auf den Beinen, aber er ist noch nicht so genesen, dass er es wagt, sich die Brandstätte anzusehen. Er will noch ein paar Tage warten, dann wird er hingehen. Und er will dabei allein sein. Denn der Stall wurde gerettet, und dort hat er sehr gutes Brennholz aus Eiche liegen, erzählt er. Er ist der Ansicht, dass sie das Brennholz jetzt gut gebrauchen können. Das Problem ist nur, dass sie keinen Ofen haben, um es zu verbrennen; es gibt auch kein Haus,
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