Bevor ich verbrenne
gehörte zu Ingemanns Aufgaben. Er rollte die Schläuche auf der Straße vor der Feuerwache aus und ließ sie ein paar Stunden liegen, bevor er sie sorgfältig wieder zusammenrollte. Die Arbeit beanspruchte den ganzen Vormittag, schneller war es nicht möglich, sonst bekam er sofort Stiche in der Brust. Um zwölf ging er zum Essen. Dag lag noch immer in seinem Zimmer und schlief. Ingemann und Alma aßen allein, schweigend.
Wenn sie gegessen hatten, räumte Alma den Tisch ab und Ingemann legte sich mit der Zeitung auf der Brust im Wohnzimmer aufs Sofa. Nach einem kurzen Nickerchen ging er hinauf zur Feuerwache und arbeitete weiter.
Einen Teil der Ausrüstung hatte er weiß gestrichen. In der Dunkelheit ging so leicht etwas verloren. Daher hatte er alle Benzinkanister der Feuerwehr weiß lackiert. Es handelte sich um sogenannte Jerry-Kanister, die die Deutschen während des Ersten Weltkriegs entwickelt hatten. Daher der Name. Jerry, wie der norwegische Spitzname für die Deutschen. Das Besondere waren zwei Handgriffe, damit zwei Männer sie tragen konnten. Das ging schneller und war nicht so schwe r – für die Feuerwehr eine perfekte Kombination. Ingemann holte einen Farbeimer und rührte um. Er stellte die Benzinkanister in eine Reihe vor die Feuerwache, hockte sich auf die Knie und markierte die Kanister mit einem dünnen, schwarzen Pinsel: ff.
Während er noch arbeitete, hörte er Schritte im Kies. Dag kam den Weg herauf und blieb so vor Ingemann stehen, dass der im Schatten hockte.
»Na, da kommt ja unser Siebenschläfer«, sagte Ingemann und schlug ein helles, trillerndes Lachen an.
Dag antwortete nicht, er blieb einfach nur stehen und schaute auf die Hand des Vaters und den Pinsel, der ruhig und exakt die schwarzen Buchstaben malte. Als Ingemann fertig war, half Dag ihm, die Kanister an ihren Platz zu tragen, danach musste der Feuerwehrwagen in die Garage gefahren werden. An diesem Tag saß Dag am Steuer, während der Vater darauf achtete, dass er den Wagen richtig einparkte. Ingemann stand hinten in der Garage im Dunkeln, als der Wagen langsam auf ihn zukam. Es war so eng, dass er an der Wand zerquetscht würde, sollte Dag nicht rechtzeitig bremsen. Er stand ganz ruhig, als das Fahrzeug näher kam und der Raum sich mit Abgasen füllte. Ungefähr einen Meter von der Wand entfernt blieb der Wagen stehen.
»Perfekt!«, rief Ingemann.
Langsam gingen sie den kurzen Weg nach Hause und unterhielten sich leise. Auch sie sprachen jetzt gedämpft.
»Hoffen wir, dass dies der letzte Brand war«, sagte Ingemann.
»Ja, hoffentlich«, antwortete Dag.
»Ich werde allmählich zu alt, um Brände zu löschen.«
»Zu alt?« Dag blieb stehen und sah seinen Vater an. »Du bist doch nicht zu alt. Du musst beim nächsten Mal mitkommen, auch du.«
Ingemann stutzte, aber er sagte nichts. Stattdessen schüttelte er den Kopf und lächelte den Sohn an. Dann hatten sie das Haus erreicht, und als sie in den Flur traten, rochen sie Almas Fleischbällchen und vergaßen alles andere.
Auch in der nächsten Nacht blieb alles still.
Die Leute begaben sich zur Ruhe. Sie löschten die Lichter, schlossen die Türen und zogen die kühle Bettwäsche über sich.
Nur die Hoflampen brannten. An den weißen Glocken schwirrten Motten und all die anderen Insekten erschrocken ins Licht.
VI
Die Luft klarer, schärfer. Nur drei Grad über Null. Die Vögel scheinen verwirrt, sie fliegen kreuz und quer über den Himmel, als wüssten sie nicht mehr, wo Norden und Süden ist. Das Wasser schwarz, glatt, wie Öl. Die am nächsten gelegenen Häuser spiegeln sich beinahe perfekt im Wasser. Hin und wieder wünsche ich mir, dass ich niemals von hier fortgezogen wäre. Ich hätte niemals nach Oslo ziehen dürfen, ich hätte niemals anfangen dürfen zu studieren, niemals anfangen sollen zu schreiben. Ich hätte hierbleiben sollen, genau hier, mitten in dieser stillen Landschaft, in den friedlichen Wäldern mit all ihren blanken Gewässern und Seen, zwischen den weißen Häusern, den roten Scheunen und den ruhigen Kühen im Sommer. Ich hätte all dies, was mich so tief beglückt, nie verlassen dürfen. Ich hätte hierbleiben und ein anderes Leben führen sollen.
Hin und wieder dieses Gefühl, zwei parallele Leben zu führen. Das eine ist das sichere und einfache Leben, das Leben ohne allzu viele Worte. Das andere ist das offensichtlich wirkliche Leben, in dem ich mittendrin bin und in dem ich jeden Tag schreibe. Das erste Leben kann lange Zeit fort sein,
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