Bevor ich verbrenne
passiert war. Sie hatte es auch so verstanden.
Kasper und Helga setzten sich sofort ins Auto, um sich das Unglück selbst anzusehen. Sie fuhren durch Nodeland, Hortemo, Stokkeland. Kasper blieb ruhig. Er glaubte nicht, dass es wahr sein konnte. Die Häuser in Dynestøl? So still und friedlich und ein wenig abseits, wie die lagen. Olga musste geträumt haben. Das war die Erklärung. Oder sie hatte sich das zusammengesponnen, als sie im Bett lag und nicht schlafen konnte. Sie wurde allmählich alt.
Als sie den Hügel nach Kilen hinunterfuhren, war es bereits so hell, dass sie den klaren Himmel und das wogende Heidekraut im Westen sehen konnten. Sie sahen keinen Rauch, kein Flammenmeer. Nichts. Kasper war ziemlich sicher, dass er Recht behalten würde, doch als sie einige Minuten später an der Schule von Lauvslandsmoen vorbeifuhren, sahen sie die heruntergebrannte Scheune von Hans Aasland, die genau gegenüber der Schule stand. Es war absolut nichts übriggeblieben, nur ein schwarzer Fleck auf dem Boden, aus dem dünner, grauer Rauch stieg. Sie bogen auf die Straße nach Dynestøl, und nach einigen hundert Metern erreichten sie den abgebrannten Stall von Per Lauvsland. Kein Mensch war zu sehen. Alles war niedergebrannt, auch hier stieg Rauch aus den eingestürzten Bretterwänden. Eine seltsam verlassene Stimmung. Die Kühe grasten auf der Weide, offensichtlich ungerührt. Dahinter sahen sie das Haus, in dem Olga wohnte, doch in keinem der Fenster brannte Licht. In diesem Moment wurde ihnen allmählich klar, worauf sie sich gefasst machen mussten. Sie fuhren die letzten Kilometer. Schwarz und ruhig zog sich der Homevannet dahin, Nebel schwebte direkt darüber, am Ufer standen verwachsene Kiefern, die ihre Äste ausstreckten, als wollten sie sich festhalten. Keiner von beiden sagte etwas. Sie sahen kein Flammenmeer. Überhaupt kein Licht. Keine Menschen. Keine Autos. Sie sahen nichts. Als befänden sie sich in einem Traum. Und in diesem Traum hatte Olga angerufen und behauptet, dass ihr altes Haus brannte. In ihrem Traum fuhren sie jetzt langsam die Straße entlang, und wenn sie gleich ankämen, würden sie daheim in ihrem Bett erwachen. Sie würden auf dem Rücken liegen und zur Decke blinzeln, während der Traum langsam wieder dorthin versank, woher er gekommen war. Dann könnten sie aufstehen und den Tag beginnen.
Aber es war kein Traum.
Als sie sich dem letzten Hügel näherten, sahen sie tiefe Furchen im Schotter. Ein großes Auto musste hier vor ihnen gefahren sein. Dann waren sie am Ziel. Kasper hielt. Sie stiegen aus und ließen die Wagentüren offenstehen. Helga sah nichts. Kasper sah nichts. Es war kühl, beinahe kalt, und sie spürten sofort, dass sie sich hätten dicker anziehen müssen. Helga trug nur ihre dünne Strickjacke, Kasper ein ausgewaschenes Hemd. Sie gingen die wenigen Meter bis zu den Feuerwehrmännern, die in losen Grüppchen herumstanden. Sie hatten aufgehört zu löschen, oder vielmehr längst aufgegeben. Sie wirkten erschöpft, die Gesichter sahen mitgenommen aus, schwarz vom Ruß und vom Rauch, die Uniformen waren verdreckt, die Hemden aufgeknöpft. Sie sahen aus, als wären sie gerade erwacht, und als wäre dieses Erwachen vollkommen unverständlich. Sie waren kaum wiederzuerkennen, obwohl Kasper und Helga sie natürlich kannten. Dort stand Knut. Dort Arnold. Und da waren Jens, Peder, Salve und noch ein paar andere. Helga hatte plötzlich das Gefühl, als würde ihr schwindelig. Niemand brachte ein Wort heraus. Es war so gut wie nichts mehr übrig geblieben, weder vom Haus noch von der Scheune. Nur die Grundmauern standen noc h – und der Schornstein, unbewegt und schwarz vom Rauch. Der ganze Hof war wie verwandelt. Plötzlich konnte man sich unmöglich vorstellen, wie es hier einmal ausgesehen hatte. Das Haus mit den hellen Fenstern, die Scheune mit der uralten Auffahrt, die kleine Treppe, die von der Rasenfläche ins Haus führte. Die Tür mit den leise knirschenden Scharnieren, der kühle Windfang, der Flur mit dem Flickenteppich, die Küche mit dem weißen Abwaschbecken, die breite Treppe zum Dachgeschoss. Aber damit nicht genug: Die ganze Landschaft schien sich verändert zu haben, die leicht abfallenden Wiesen, die grünen Hügel, der Wal d – alles war anders ohne das Haus und die Scheune.
Ihr Blick fiel auf Alfred. Er hatte sich das Hemd aufgeknöpft, die ganze blasse Brust war zu sehen. Nun kam er auf sie zu und griff nach ihren Händen.
»Wir konnten nichts
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