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Bevor ich verbrenne

Bevor ich verbrenne

Titel: Bevor ich verbrenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaute Heivoll
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zusammenstürzte. Das Löschwasser wurde auf die Westwand und das Dach des Wohnhauses gerichtet. Da saß der Hund am Feuerwehrwagen, kratzte mit der Pfote an einem der Räder und winselte.
    Auf dem Foto wirkt Bezirksobmann Koland müde und verstört. Im Interview sagt er, alles sei sehr kompliziert. Es gebe keine Spur. Man wisse nur, dass es sich vermutlich um einen jungen Mann handele. Die Entfernung zwischen den Bränden betrage knapp zehn Kilometer. Es wurde Benzin verwendet. Jemand hatte ein Auto mit gelöschten Scheinwerfern beobachtet. Darüber hinaus gebe es nichts. Das Ganze wirke verzweifelt. Der Pyromane scheint hohe Risiken einzugehen. Die letzten drei Brände wurden ja gelegt, als die Polizei den gesamten Verkehr in der Gegend kontrollierte und alle Bewohner wach waren oder Wache hielten. Es scheint, als würde dieser Mann sich im Grunde wünschen, gefasst zu werden.
    Es ist sehr kompliziert, aber eigentlich einfach.
    Zwei Ermittler der Kriminalpolizei waren an diesem Morgen aus Oslo aufgebrochen, aber sie hatten sich erst gegen zwei Uhr am Nachmittag im Herrenhaus von Brandsvoll eingerichtet. Um diese Zeit zogen Wolken auf, und gegen den möglicherweise einsetzenden Regen wurde eine große Plane über die Eingangstür des Hauses von Agnes und Anders gespannt. Im ganzen Flur stank es nach Benzin, überall lagen Glasscherben. Agnes und Anders standen ein wenig im Hintergrund und sahen dabei zu; sie mit verschränkten Armen, er mit tief in den Hosentaschen vergrabenen Händen. Angesichts der Umstände verhielten sie sich vergleichsweise ruhig. Einige Stunden wurden sie zu Fremden in ihrem eigenen Haus. Nichts durfte angefasst oder umgestellt werden, auch nicht von ihnen. Es kamen weitere Journalisten. Alle wollten mit Agnes reden, die den Pyromanen tatsächlich gesehen hatte. Sie hatte nur wenige Meter von ihm entfernt gestanden, nur die Fensterscheibe trennte sie von einander. Einen kurzen Moment hatte sie das Gesicht im Licht des Streichholzes gesehen, vermutlich handelte es sich um Streichholz Nummer zwei. Denn auf der Treppe wurden zwei Streichhölzer gefunden. Das eine war lediglich aufgeflammt und erloschen, das andere halb abgebrannt und in der Mitte zerbrochen. Sie mussten nacheinander angerissen und durch das Loch im Glas geworfen worden sein. Beide hatten versagt, waren auf Glas getroffen oder neben die Benzinpfütze gefallen.
    Die Journalisten baten sie, ihn zu beschreiben.
    Ein junger, ansehnlicher Mann, sagte sie zu einem Journalisten halb aus Spaß. Er schrieb eifrig mit, und am nächsten Tag stand es gedruckt in der Zeitung. Der Brandstifter war nicht nur jung, er war auch groß und ansehnlich. Aus dem großen Nichts tauchte er plötzlich auf und verschwand ebenso schnell wieder, ohne etwas anderes zu hinterlassen als Flammen. Und einen vor Panik gelähmten Ort. Oder zwei abgebrannte Streichhölzer. Er hatte das letzte Streichholz gegen das Fenster geworfen, als er sie bemerkte. Sie hatte geschrien, er hatte sie gesehen und gehört, trotzdem hatte er geworfen. Es hatte am seidenen Faden gehangen. Hätte das Streichholz die Öffnung getroffen, wäre sie in Sekunden von einem Flammenmeer eingeschlossen gewesen. Dasselbe konnte man über Olav und Johanna sagen, aber sie hatten das Haus ja noch verlassen können. Und doch befanden sie sich in gewisser Hinsicht noch immer in einem Flammenmeer.
    Für diese Nacht wurde Polizeischutz für das Ehepaar in Vatneli und das Ehepaar in Solås angeordnet. Olav lag im Übrigen den größten Teil des Vormittags im Bett und schrie. Johanna saß auf der Bettkante, aber offensichtlich ließ er sich durch nichts beruhigen. Die Schreie kamen in großen erschütternden Wellen, die ihn in Stücke zu reißen drohten. Sie versuchte, seine Hand zu halten, aber er ließ es nicht zu. Er schrie sie an, er schrie die Wand an, er brüllte zu Gott. Als würde sein Inneres sich nach außen kehren, als würde irgendetwas Wildes und Rohes vergeblich versuchen, sich von ihm loszureißen. Aber er ließ sich nicht in zwei Teile zerreißen. Schließlich kam der Arzt im Auto aus Nodeland und gab Olav etwas Beruhigendes. Auch Johanna wurden Tabletten angeboten, aber sie lehnte ab. Den Rest des Vormittags schlief Olav, aber Johanna blieb am Bett sitzen, hielt seine Hand und starrte auf sein ruhiges Gesicht. So saß sie vielleicht eine halbe Stunde, vielleicht auch länger. Sie war vollkommen leer. Sie blickte auf ihren Mann und sah, dass er rüstig, gleichzeitig aber auch sehr alt

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