Bevor ich verbrenne
kannst nicht einfach hier liegenbleiben. Du bist schließlich der Brandmeister.«
Ingemann und Alfred unterhielten sich gedämpft, als sie durch die scharfe Kurve und an der Feuerwache vorbei die paar hundert Meter bis hoch zu Sløgedals Hof gingen. Alfred berichtete von den Löschbemühungen, er erzählte, dass sie das Wohnhaus retten konnten, nur ein paar Fenster seien kaputtgegangen, die Farbe ein wenig aufgequollen und ein paar Ziegel heruntergefallen, aber sonst stand noch alles.
»Das ist gut«, sagte Ingemann. Mehr nicht.
Dann erwähnte Alfred, dass bereits einige Journalisten an der Brandstätte seien, außerdem Leute vom Fernsehen, die gefilmt hätten.
»Bald weiß das ganze Land Bescheid«, sagte er.
Ingemann antwortete nicht.
Als sie bei der abgebrannten Scheune ankamen, war ihre Unterhaltung längst versiegt, wortlos standen sie nebeneinander und starrten auf die Überreste der Scheune. Was sollte man sagen? Nichts als Asche, ausgebranntes Fachwerk, verzogenes Wellblech. Sogar die Erde war in einem weiten Umkreis um die Brandstelle schwarz und aschgrau.
»Geht’s dir gut?«, erkundigte sich Alfred.
»Ja, ja«, antwortete Ingemann. »Ich muss mich nur einen Moment hinsetzen.«
Alfred setzte sich neben ihn auf die Treppe des Wohnhauses. Es war ziemlich eng, und doch blieben sie eine ganze Weile nebeneinander sitzen, ohne ein Wort zu sagen. Die Sonne stand klar über Kviheia im Osten, der nächtliche Tau trocknete langsam, und man sah, dass in der Nacht hektische Aktivität geherrscht haben musste: Das Gras war niedergetreten, Abfall und einige leere Flaschen lagen an der Hauswand. Ingemann schloss die Augen. Er spürte die Sonne, die ihm warm ins Gesicht schien.
»Dag ist gut, wenn es darum geht, Proviant zu besorgen«, sagte Alfred neben ihm.
»Ja?«
»Es fehlt nie an Limonade und Schokolade«, fuhr Alfred fort. »Er ist inzwischen fast schon so etwas wie der neue Brandmeister.«
»Ja, das ist er wohl«, erwiderte Ingemann.
Kurz darauf hielt ein Auto auf dem Hof. Zwei Männer stiegen aus. Einer von ihnen war der Domorganist Bjarne Sløgedal, der andere sein Vater Reinert, der alte Küster und Lehrer. Sie waren am frühen Morgen über den Brand informiert worden und hatten sich in Kristiansand sofort ins Auto gesetzt. Nun starrten sie im ersten Sonnenlicht auf die niedergebrannte Scheune. Der Sohn ging einige Schritte nach vorn, der Vater folgte; beide wirkten irgendwie deplatziert, als wären sie versehentlich vorbeigekommen oder hätten sich verfahren und kämen nun auf Alfred und Ingemann zu, um zu fragen, wo sie überhaupt waren. Die vier unterhielten sich. Alfred referierte die Tatsachen, die man kannte. Das Feuer war kurz nach vier ausgebrochen, im Morgengrauen. Niemand hatte irgendetwas gehört oder gesehen. Keine Autos. Nichts. Eine Polizeipatrouille war nur wenige Minuten vorher vorbeigefahren. Als hätte es ganz von allein angefangen zu brennen.
Dann stiegen die vier Männer die Scheunenauffahrt hinauf, ganz bis zum Ende, wo sie plötzlich abrupt in die Luft ragte. Noch immer wurde Rauch aus der Ruine aufgewirbelt, grauer, nahezu undurchsichtiger Rauch, der unkontrolliert aufstieg, bevor er sich von allein auflöste.
»Jetzt ist Mutters Webstuhl fort«, sagte Bjarne leise. »Wir hatten ihn in die Scheune gestellt«, fügte er hinzu und wies vage auf eine Stelle in der Luft.
»Sie hatte so viel Freude an ihrem Webstuhl.«
Eine Weile fiel kein weiteres Wort. Sie ließen den Satz über den Webstuhl sacken, als eine Gestalt auf dem Weg auftauchte. Dag. Er schien fröhlich und beschwingt zu sein, als er zu den Obstbäumen im Garten kam, sprang er hoch, schlug an einen der unteren Äste und riss ein paar Blätter ab, die er sofort auf den Boden warf. Als er sah, wer dort zusammen mit Alfred und seinem Vater auf der Scheunenauffahrt stand, wurde er schlagartig ernst. Im ersten Moment sah es aus, als wollte er umdrehen, doch dann ging er entschlossen weiter. Er kam die Scheunenauffahrt hinauf und gab beiden die Hand. Erst Bjarne, dann Reinert.
»Bist du es?«, fragte Reinert.
»Ja, sicher«, antwortete Dag.
»Du bist ziemlich gewachsen, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe.«
»Und du bist tatsächlich älter geworden«, erwiderte Dag.
Sie lachten. Nicht lange, aber dennoch.
»Ist wirklich tragisch«, sagte Dag.
»Ich habe gerade gesagt, dass Mutters Webstuhl auch verbrannt ist«, erklärte Bjarne.
»Ja, ich erinnere mich, dass sie gewebt hat.«
Reinert sagte: »Ich hatte
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