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Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Titel: Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Bødker
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Weise auf andere verletzend wirken konnte. Jedenfalls, wenn man eine Beziehung führte.
    »Na, hast du dein Telefonat endlich beendet?«
    Thor warf Kamma Greive einen müden Blick zu und trat in den Flur hinaus. Schuldig oder nicht, er war mit Kraus verabredet und konnte jetzt nicht mehr Zeit für sie opfern. Und sie schien ebenfalls zu begreifen, dass sie die Situation nicht noch weiter ausreizen konnte. Sie leerte noch ein letztes Glas Portwein und sagte dann : » Wie du sehen kannst, müsste mein Wohnzimmer dringend mal renoviert werden.«
    Ihre Stimme klang beiläufig und ein wenig schleppend, doch ihre Augen fixierten ihn unerbittlich.
    »Aber Farbe ist heutzutage so unglaublich teuer …«, fügte sie hinzu.
    Er starrte sie fassungslos an, doch sie hatte ihren Blick wieder gesenkt und spielte beiläufig an einem ihrer vielen goldenen Klunker. Thor ließ sich erneut auf das Sofa sinken. Wollte sie ihn finanziell erpressen? Wusste sie etwa mehr darüber, was damals vorgefallen war, als das, was sie bisher erzählt hatte? Über all das, was ihn nicht nur den Job kosten konnte, sondern vermutlich auch einen Prozess und eine Gefängnisstrafe zur Folge hätte?
    *
    Hinter ihm ragte der spiralförmige Turm der Erlöserkirche in die Höhe, und über ihm hing das Schild mit der Aufschrift »You are now entering EU «. Der Ausgang von Christiania. Zwischen dem Barock des achtzehnten Jahrhunderts und den nicht weniger barocken 1970 er Jahren lagen nur wenige Schritte. Der französische Auslandsnachrichtendienst ahnte garantiert nicht, wohin seine Spur Warwick geführt hatte.
    »Wie krass! Hast du den gesehen?«
    Eine Gruppe tuschelnder Jugendlicher auf dem Weg zur Prinsessegade machte einen großen Bogen um ihn. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte ein Streifenwagen, aber der schien ihnen egal zu sein, obwohl sie garantiert direkt von der »Pusher Street« kamen. Vielleicht wollten sie auch nur zu einem Konzert im Loppen und machten vorher noch einen kleinen Ausflug. Ihr Aussehen passte jedenfalls zu dieser Theorie, denn sie hatten weiß geschminkte Gesichter wie richtige Metalfans, und auf der Lederjacke des einen Jungen prangte der Slogan »Fuck me Jesus«.
    »Ein Bulle!«, flüsterte der eine.
    Erst jetzt fiel Warwick auf, dass sie wahrscheinlich über ihn sprachen. Natürlich, er musste schließlich auch auffallen wie eine Tarantel auf einem Quarkkuchen, um Raymond Chandler zu zitieren, dessen Krimis zu Hause auf seinem Nachttisch in Emdrup lagen. Warwick war einfach zu sehr daran gewöhnt, dass ihn sein anonymes Äußeres nahezu unsichtbar machte. Aber hier war das selbstverständlich anders. Andererseits mussten die Leute in der »Freistadt« die Polizei inzwischen so gewöhnt sein, dass sie ihn bestimmt schnell wieder vergaßen.
    Und so lief er unbeirrt über die schneebedeckten Bordsteine am Carl-Madsens-Platz und spazierte die Pusher Street hinunter. Reklameschilder, die das Tagesangebot an Hasch und Skunk anpriesen, gab es nicht mehr, aber die Ware lag immer noch zur Anschauung bereit, und die Pusher wärmten sich in kleinen Gruppen an ihren Feuertonnen. Er kam am Woodstock mit den üblichen betrunkenen Grönländern und frühverrenteten Rockern vorbei und am alkoholfreien Rauchercafé Månefiskeren.
    Warwick blieb stehen, um sich zu orientieren und einen Blick auf seine Uhr zu werfen. Er hatte noch eine Stunde Zeit. Das sollte ausreichen, um seine Aufgabe zu erledigen.
    Zielstrebig ging er weiter und versuchte, seine Gedanken zu sammeln, wurde jedoch immer wieder vom Anblick der Kinder abgelenkt, die vor den alten Kasernengebäuden spielten. Wie unterschiedlich eine Kindheit doch ausfallen konnte. Hier liefen die Kinder frei zwischen all den zugedröhnten Existenzen in Christiania herum. Und auf der anderen Seite er selbst, der unter den strengsten nur denkbaren Bedingungen aufgewachsen war. Als er elf war war die ganze Familie ins schottische Hochland gezogen, und weil der Vater, ein Schiffsingenieur, oft unterwegs war und ein geregeltes Familienleben durch die Schichtarbeit der Mutter im Krankenhaus zusätzlich erschwert wurde, landete Warwick am Ende dank eines Stipendiums auf einem nahe gelegenen Internat.
    Gordonstoun gehörte zu jenen Bildungseinrichtungen, wo eigentlich nur Millionenerben aufgenommen wurden, und alle Schüler wussten, dass sie dazu geboren waren, einmal das oberste Zehntel der Macht zu übernehmen. Zu Warwicks Klassenkameraden gehörte damals auch der Sohn eines arabischen

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