Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Titel: Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Bødker
Vom Netzwerk:
vorgestellt und Platz genommen hatten.
    Musoni lächelte unverdrossen, so dass Thor zunächst daran zweifelte, ob der Mann überhaupt Dänisch verstand. Dann nickte er jedoch ernst.
    »Wir sind viele, und wir werden immer mehr«, erwiderte Musoni. »Es ist jetzt neun Jahre her, seit ich eines Tages spürte, wie Gott zu mir sprach. Er sagte, ich solle die Afrikaner in Dänemark versammeln und mit ihnen eine christliche Gemeinschaft gründen. Viele sind es von zu Hause gewöhnt, in die Kirche zu gehen, aber sobald sie nach Dänemark kommen, verlieren sie die Verbindung zu ihrem Glauben.«
    Er machte eine unbestimmte Geste in den Raum. Seine Augen waren genauso dunkel wie Anisas, und Thor überlegte, ob er wohl auch Ostafrikaner war. Er wusste nur, dass der Mann vor ihm einer von immer mehr Predigern und Wunderheilern mit Migrationshintergrund war, dessen Wirken sich nicht nur auf die afrikanische Gemeinde in Kopenhagen beschränkte. Thor holte das Foto von Anisa heraus und legte es auf den Tisch.
    »Anisa Dini Farah«, sagte er. »Ihnen ist klar, von wem ich spreche?«
    Musoni nahm das Foto und betrachtete es. Noch immer nahm keiner im Raum von ihnen Notiz. Thor konnte nicht einschätzen, ob das ein im Vorfeld einstudiertes Schauspiel war oder ob die anderen es schlichtweg gewohnt waren, dass Musoni diesen Ort als Büro nutzte.
    »Wir Afrikaner tragen eine tiefe Sehnsucht nach Gott in uns, die euch Dänen fehlt«, behauptete Musoni mit dem Bild in der Hand. »In meiner Gemeinde erfährt man Lebensfreude und Gemeinschaft. Bei uns hat der Glaube noch eine Bedeutung. Er macht einen zufriedener. Mit sich und der Welt, deren Teil man ist. Ich habe die Gemeinde in meiner eigenen Wohnung gegründet. Und jetzt finden wir schon kaum mehr in diesem Club Platz. Jetzt dürfen wir die Kingo-Kirche nutzen. Vielleicht können die Dänen ja etwas von unserem Glauben lernen.«
    Als wären sie aus dem Nichts aufgetaucht, standen plötzlich zwei Kaffeetassen vor ihnen. Musoni trank nichts, sondern lächelte nur auffordernd. Thor zeigte auf das Bild.
    »Sie reden sich heraus«, stellte er fest. »Sie kennen sie.«
    Musoni lächelte beharrlich weiter. Seine Miene wirkte weder aufgesetzt noch künstlich, aber sie machte es unmöglich, seinen wahren Gemütszustand zu erkennen.
    »Ich war doch gerade dabei, Ihnen zu antworten«, entgegnete er. »Ich versuche Ihnen zu erklären, dass ich nicht stillschweigend mit ansehen kann, wie meine Landsleute vom Glauben abfallen. Für uns besteht ein enger Zusammenhang zwischen Glauben und Alltag, verstehen Sie? Wir halten den Glauben nicht aus unserem Leben heraus. Im Gegensatz zu euch Dänen. Ihr glaubt, Religion wäre eine Privatsache, die andere nichts angeht. Aber alles hat einen Zusammenhang. Und Anisa gehörte zu denen, die mir zu der Einsicht verholfen haben, wie wichtig diese Arbeit ist. Sie gehörte zu den ersten Mitgliedern meiner Glaubensgemeinschaft.«
    »Und den wichtigsten?«, fragte Kraus nach.
    Musoni zuckte mit den Schultern.
    »Sie war eine suchende Seele, die Hilfe brauchte. Sie ging zu Ärzten. Vielen verschiedenen Ärzten. Und keiner konnte ihr helfen. Sie hat schreckliche Dinge erlebt. Doch bei uns ging es ihr besser. Früher wagte sie es kaum, vor die Tür zu gehen. Es war ein langwieriger Prozess. Wir haben intensiv gearbeitet, und durch mich hat sie schließlich ihren Glauben wiedergefunden, den sie längst irgendwo tief in ihrem Inneren versteckt hatte. Der ihr fehlte, um wieder mit sich selbst zurechtzukommen. Und natürlich kenne ich Anisa. Vielleicht kenne ich sie sogar besser als sie sich selbst.«
    »Dann wissen Sie auch, wo sie sich versteckt?«
    Musoni schüttelte den Kopf. Jetzt sah er wieder so aus, als würde er nicht verstehen, was Thor meinte. Was natürlich nicht der Fall war, denn sein Dänisch war ausgezeichnet, und seine Augen verrieten, dass er intelligent, aufmerksam und schnell von Begriff war. Aber sie kamen nicht weiter, egal was Thor fragte. Musoni erklärte bereitwillig, dass er Anisa viele Jahre lang oft gesehen habe. Wie oft? So oft wie ein Vater seine Tochter sehe. Wann er sie zuletzt gesehen habe? Sie sei immer bei ihm, ganz gleich, ob sie in seine Gemeinde käme oder nicht. Aber wann genau sie das letzte Mal da gewesen sei? Vielleicht vor einem Monat. Und er wisse noch immer nicht, wo sie sich versteckt hielt? Nein, er könne sich überhaupt nicht vorstellen, dass sie sich verstecke. Es war, als redete man gegen eine Wand. Ob er etwas über ihren

Weitere Kostenlose Bücher