Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
ein anderes Leben gewesen. Und sie eine andere Person, die sie aus ihrem jetzigen Leben verbannt hat.«
Er drehte den Zündschlüssel um, ohne loszufahren.
»Aber ich muss die ganze Zeit daran denken, was passiert, wenn sie wieder auftaucht. Diese alte Identität, meine ich. Sie gehört nicht gerade zu denen, die frei in Kopenhagen herumlaufen sollten.«
Dann wandte er sich zu Linnea um.
»Und jetzt musst du nach Hause und ins Bett.«
Sie nickte.
»Und so lange schlafen, bis ich von selbst aufwache«, sagte sie. »Und noch ein bisschen länger.«
Sie zögerte einen Moment, ehe sie weiterredete : » Ich habe mit Morewski gesprochen und mich krankschreiben lassen. Ich muss diese Sache wohl doch erst mal verarbeiten.«
Und dann starrte sie aus dem Fenster, um Thors zufriedene Miene nicht mit ansehen zu müssen.
*
»Vermutlich handelt es sich um eins der größten Waffengeschäfte in der dänischen Geschichte«, sagte Warwick. »Lass mich dir nur ein Beispiel dafür nennen, wie das abgelaufen ist. Der erste Handel, von dem ich weiß, fand im Frühjahr 1998 statt. Alles in allem zwölf Waffentransporte von Bulgarien nach Lomé in Togo. Aber Togo ist natürlich nicht der wahre Endabnehmer. Der eigentliche Käufer ist die UNITA , die Nationale Union für die vollständige Befreiung Angolas. Die Rebellen wurden mit fünfzig Luftabwehrraketen, zweitausend Panzerabwehrraketen, eintausend 82 -mm-Minenwerfern und enormen Mengen Munition ausgestattet. Der Transport wurde von einer Firma namens AKS Engineering organisiert, die ansonsten völlig unbekannt ist. So agieren sie nämlich – sie gründen legale Frachtfirmen, die Flugzeuge, Schiffe, und was sonst noch erforderlich sein mag, zur Verfügung stellen, und das gerne in Zusammenarbeit mit einem internationalen Mittelsmann. Wenn nichts schiefgeht, lässt sich das selten nachweisen.«
Nora Levitan ließ Warwick ausreden, schob sich dann von ihrem Schreibtisch weg und stand auf. Sie bat ihn, sie für einen Moment zu entschuldigen, und verschwand nach draußen. Warwick blieb sitzen und starrte in die Luft, bis Levitan wieder ins Büro zurückkam. Doch anstatt wieder Platz zu nehmen, ging sie zum Fenster und nahm das begonnene Gespräch erneut auf.
»Du hast den Fall der Persephone perfekt abgewickelt, ich weiß nicht, ob ich dir das schon gesagt habe«, erklärte sie. »Die Presse hat nur einen weiteren Piratenangriff gemeldet, ohne auf Details einzugehen. Dasselbe gilt für die drei ermordeten Entwicklungshelfer. Niemand erwähnt einen tragischen Überfall in einem von Unruhen geplagten afrikanischen Land. Wir werden wohl nichts mehr davon hören.«
Das Lächeln in Levitans Gesicht war ebenso ungewohnt wie ihre lobenden Worte, und es war eigentlich verblüffend, dass sie so weit hatte aufsteigen können, obwohl sie nicht verbergen konnte, wenn sie die Menschen manipulieren wollte.
»Dir ist schon bewusst, dass man sie liquidiert hat?«, fragte er dann.
»Ja, das weiß ich.«
Levitan bedachte ihn mit einem Blick, als wäre er ein dummes Kind, das immer noch nichts begriffen hatte.
»Aber wir müssen das Ganze aus einer umfassenderen Perspektive betrachten. Einzig Vibe Herzog kann mit dem Waffenhandel in Verbindung gebracht werden. Sie ist allerdings tot, und damit ist der Fall abgeschlossen. Sie hat dir erzählt, in wessen Auftrag sie arbeitete. Aber wissen das auch noch andere?«
Sie sah ihn eindringlich an.
»Stell dir doch einmal selbst die Frage, welchen Nutzen es hätte, wenn dieses Wissen vom Kastellet nach außen dringt? Wir müssen uns höheren Zwecken unterordnen. Das ist die Essenz unserer Arbeit, aber das muss ich dir ja wohl nicht erklären?«
Die letzte Frage war rein rhetorisch gewesen, und Warwick verstand, dass sie sich nur deshalb nicht wieder gesetzt hatte, weil das Briefing längst beendet war. Er stand auf und ging zur Tür, wurde aber noch einmal zurückgerufen.
»Du hast gute Arbeit geleistet.«
Nora Levitan lächelte noch einmal. Sie nahm wieder hinter dem Schreibtisch Platz, ohne Warwick anzusehen.
»Aber wenn der Fall nicht zu den Akten gelegt wird, müssen wir einen Sündenbock finden.«
43
V erdammt noch mal«, murmelte Thor vor sich hin. »Wie dumm kann man sein?«
Er starrte ins Handschuhfach seines Wagens, das sich jetzt unmöglich öffnen ließ, weil der Schlüssel im Schloss abgebrochen war. Dort drinnen lag seine Heckler & Koch USP Compact 9 mm, die Standardwaffe der Polizei mit dreizehn Schuss im Magazin. Er hatte sie
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