Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
Belagerung, die englische Bombardierung und die deutsche Besatzung überlebt, und sie würde auch ein paar Jahre mit Nora Levitan auf dem Chefsessel unbeschadet überstehen.
»Es geht um mehr als die Persephone, oder?«, fragte sie.
Sie setzte sich auf ihren Bürostuhl und gab Warwick endlich die Gelegenheit, zu erzählen.
»Es ist schwer, das zu recherchieren, weil es eine einzige große Grauzone ist«, erklärte er. »Das Waffenreferat des Justizministeriums untersucht, ob alle Papiere in einer Exportsache in Ordnung sind, und wenn kein konkretes Verbot vorliegt, nimmt das Außenministerium eine Beurteilung der Verhältnisse im Empfängerland vor. Aber die Regeln sind ziemlich liberal. Dänische Firmen dürfen beispielsweise ungehindert Waffen an Länder wie Jordanien oder die Vereinigten Arabischen Emirate liefern, obwohl gegen sie Foltervorwürfe bestehen.«
Levitan nickte.
»Ich kenne die Rechtslage.«
»Natürlich. Ich möchte nur die Hintergründe erklären.«
Er hatte sich Notizen gemacht, brauchte jedoch gar nicht erst in seine Unterlagen zu sehen.
»Das Problem ist noch größer, wenn es eher um Waffentransporte als um den eigentlichen Waffenhandel geht. Die Persephone gehört der Reederei A. C. Lauritzen, aber sie haben das Schiff verchartert. Was bedeutet, dass sie im Grunde nicht wissen, wozu ihr Schiff verwendet wird und was es geladen hat. Und sie sind auch nicht juristisch dazu verpflichtet, es zu wissen. Mit anderen Worten, man kommt nicht weit, wenn man gegen die Reederei ermittelt. Ich habe mir A. C. Lauritzen trotzdem näher angesehen.«
Levitan hob eine Augenbraue, und Warwick beeilte sich, seine Ausführung fortzusetzen.
»Sie sind keineswegs Unbekannte, wenn es um den Waffentransport in andere Länder geht, über die eigentlich ein Embargo verhängt wurde. Während des Krieges gegen den Iran haben ihre Schiffe beispielsweise Waffen an den Irak geliefert und die Baathisten unterstützt, die später während der Invasion des Iraks gegen die Koalitionstruppen kämpften. Theoretisch könnten dieselben Waffen, mit denen sieben dänische Soldaten im Irak getötet wurden, von einer renommierten Reederei aus Rungsted dorthin gebracht worden sein. Aber so etwas schadet weder dem Ansehen noch dem Börsenkurs. Der Waffenhandel mit dem Irak wurde damals sogar in den Medien thematisiert, und der Reeder Knud Petersen sagte in einem Statement, das habe nichts mit Moral zu tun: ›Ob wir Waffen in den Mittleren Osten liefern oder an die dänische Armee, macht keinen Unterschied. Etwas anderes zu behaupten wäre reine Heuchelei.‹«
Levitan nickte wieder.
»Und was für eine Rolle spielte Vibe Herzog in alledem?«
Er sah sie an. Levitan hatte zu keinem Zeitpunkt seine Manöverkritik zu Vibe Herzog kommentiert, obwohl er sie sofort angerufen hatte, nachdem er Christiania verlassen hatte.
»Sie leistete finanzielle Unterstützung«, sagte er. »Mit dem eigentlichen Waffenhandel hatte sie nichts zu tun. Ich zweifle daran, dass sie überhaupt annähernd begriff, in was sie verwickelt war. Sie war eine ordentliche Anwältin, die als Strohmann für die tatsächlichen Waffenhändler agierte. Sowohl für die Verkäufer als auch die Käufer ist ein solcher Mittelsmann unerlässlich. Einer Regierung kann er ›plausible deniability‹ bieten, wie es auf Englisch so schön heißt, und beiden Parteien dabei behilflich sein, Hindernisse in einem Handel zu überwinden, indem sie die Waffen beschaffen, wenn nötig auch einen Transport arrangieren und nicht zuletzt alle gültigen Dokumente besorgen. Ein Endverbraucher-Zertifikat mit einer falschen Destination ist das Entscheidende. Der Preis dafür liegt derzeit bei etwas mehr als fünfzigtausend Dollar. Darüber hinaus braucht man aber auch einen juristischen Experten, um Briefkastenfirmen und Offshore-Konten zu eröffnen, und was man sonst noch so alles benötigt, damit sich der Geldstrom so wenig wie möglich nachvollziehen lässt. Und damit der wirkliche Urheber hinter diesen ausgeklügelten juristischen und wirtschaftlichen Konstruktionen nicht mehr auszumachen ist. An dieser Stelle kam Vibe Herzog ins Spiel.«
Levitan nickte vor sich hin.
»Aber um sie müssen wir uns ja nun keine Sorgen mehr machen.«
»Das eigentliche Problem ist auch nicht sie.«
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T hor wandte sich Linnea zu, als sie auf den Gang der Abteilung für Forensische Anthropologie hinaustraten. Sie standen mit dem Rücken zu einer Vitrine, in der außergewöhnliche Schädel und Knochen
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