Bewahre meinen Traum
sieht sich vermutlich schon nach jemand anderem um. Ich wette, er wird nicht einmal anrufen.“
In dem Moment klingelte das Telefon auf dem Tisch, und beide Frauen zuckten zusammen. Nina nahm den Hörer auf und schaute auf die angegebene Nummer. Der Name Bellamy, G. starrte ihr entgegen.
„Oh Gott. Das ist er.“
„Dann geh ran“, schlug Jenny vor.
„Auf gar keinen Fall. Eher sterbe ich.“
„Dann tu ich es.“ Jenny schnappte sich das Telefon.
Nina wollte es ihr wieder entreißen, verfehlte es aber.
Jenny drückte auf den Knopf. „Bei Romano, Jenny McKnight am Apparat. Oh, hallo, Greg.“
Nina ließ sich in einem hilflosen Haufen auf den Boden sinken.
„Mir geht es gut, danke“, sagte Jenny freundlich. „Rourke auch“, fügte sie dann hinzu.
Natürlich geht es ihr gut, dachte Nina. Sie war mit der Liebe ihres Lebens verheiratet und hatte gerade erst einen Verleger gefunden, der ihr Buch veröffentlichen wollte. Ihre Erinnerungen an das Aufwachsen in einer polnisch-amerikanischen Bäckerei. Natürlich ging es ihr beschissen gut.
Jenny plauderte angeregt mit Greg über seine Kinder, deren Cousine sie zufällig war, auch wenn sie das noch nicht sehr lange wusste. Jennys Verwandtschaft mit den Bellamys war erst letztes Jahr ans Licht gekommen. Sie war aufgewachsen, ohne zu wissen, wer ihr Vater war. Im letzten Sommer hatte sie dann erfahren, dass es eine tragische Liebesgeschichte zwischen ihrer Mutter, Mariska, und ihrem Vater, Philip Bellamy, gegeben hatte, der wiederum Gregs älterer Bruder war. Damit war Greg ihr Onkel. Sie hatten sich erst vor Kurzem kennengelernt, aber als sie Jenny jetzt so mit ihm plaudern hörte, fragte sich Nina, ob Blut tatsächlich dicker als Wasser war.
„Ja, sie ist da“, sagte Jenny in dem Augenblick.
Die Verräterin. Nina wäre beinahe aus der Haut gefahren. Mit nichtverbaler italo-amerikanischer Eloquenz fragte sie Jenny: Willst du heute noch sterben?
„Aber sie kann gerade nicht ans Telefon kommen. Ich sorge aber dafür, dass sie dich zurückruft. Das ist ein Versprechen.“
Scheinbar ungerührt von Ninas Wut legte Jenny auf. „Gute Neuigkeiten“, sagte sie. „Er hat noch keinen anderen gefunden.“
„Woher weißt du das? Hat er was gesagt?“
„Natürlich hat er nichts gesagt. Das geht mich auch nichts an.“
„Woher weißt du dann, dass er sich noch nicht seinem nächsten Opfer zugewendet hat?“
„Wenn du mir nicht glaubst, ruf ihn doch selber an.“ Jenny streckte ihr das Telefon hin.
Nina zuckte zurück. „Ich brauche einen Drink.“
„Dabei kann ich behilflich sein.“ Jenny ging mit der Selbstverständlichkeit einer guten Freundin voran in die Küche. Dort öffnete sie eine Schranktür und holte eine Flasche lieblichen Rotwein heraus. „Der passt hervorragend zu den Biscotti, die ich dir aus der Bäckerei mitgebracht habe.“ Obwohl die Sky River Bakery polnische Wurzeln hatte, gab es auf der Karte auch eine Auswahl an italienischen Spezialitäten, inklusive der Cantucci Biscotti, die zugegebenermaßen besser waren als alles, was die Romano-Frauen je gebacken hatten. In den süßen Wein gestippt, ließen sie Nina ihre Sorgen für ungefähr zwanzig Sekunden vergessen.
„Also, wie hat er geklungen“, wollte sie von Jenny wissen.
„Du hast doch heute schon mit ihm gesprochen, oder?“
„Nein, ich meine, klang er versöhnlich? Genervt?“
„Er klang wie ein Bellamy – du weißt schon, Privatschule in Manhattan, Ivy League College und all das.“ Jenny macht den Akzent perfekt nach und lachte dann über sich. „Manchmal kann ich immer noch nicht glauben, dass ich mit diesen Leuten verwandt bin.“ Dieses leichtherzige Eingeständnis strafte die Tortur Lügen, die Jenny nach der Entdeckung ihrer Verbindung zur Familie Bellamy durchgemacht hatte.
„Sie haben dich nicht verändert“, rief Nina ihr in Erinnerung, „und das ist gut so. Weißt du noch, wie wir uns als Teenies immer über die Sommergäste lustig gemacht haben?“ Als Mädchen hatten sie und Jenny immer die Leute beobachtet, die in den Sommerferien vor der drückenden Hitze der Stadt an die kühlen Ufer des Willow Lake geflohen waren. Sie hatten sich über die weiße Tenniskleidung und die glatten, seidigen Haare der Mädchen lustig gemacht und darüber, dass sich Dienstboten um die Kinder kümmerten. Doch Nina und Jenny hätten niemals zugegeben, dass der wahre Grund für ihre Lästereien pure Eifersucht gewesen war.
„Lass aus dieser Sache mit Greg keinen
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