Bewahre meinen Traum
während Sarah sehr ruhig und liebevoll war, beinahe ein wenig verträumt. Zumindest oberflächlich schien sie gar nicht zu ihrem Mann zu passen. Vielleicht ergänzen sie einander, spekulierte Nina. Sie hatte in sich ein unangebrachtes Interesse an anderen Pärchen entdeckt und weigerte sich, nach dem Grund dafür zu forschen.
Jack hatte Tennissachen an und sprach in ein Handy, während Sarah sich in einem Liegestuhl entspannte und etwas in einen großen Spiralblock malte oder schrieb. Nina reichte ihr die Karten und den Reiseführer von Ulster County und den Catskills. „Ich habe ein paar Vorschläge farbig markiert“, sagte sie.
Sarah strahlte sie an. „Das ist nett von Ihnen, vielen Dank. Wir genießen unseren Aufenthalt hier wirklich sehr.“
Jack war ein paar Schritte zur Seite gegangen, um sein Telefonat weiterzuführen. Nina fand das ziemlich ungehörig, aber Sarah lächelte nachsichtig. „Er hört nie auf. Er kann sich einfach nicht von seiner Arbeit trennen. Armer Kerl.“
„Ist er Arzt?“, fragte Nina. Sie nahm an, die Menschheit zu retten war es wert, ein paar Minuten seines Urlaubs zu opfern.
„Bauunternehmer“, sagte Sarah. „Er baut ein Luxusdomizil außerhalb Chicagos namens Shamrock Downs. Eine Reitergemeinde – das ist ein ziemlicher Akt, die ganzen Subunternehmer zu koordinieren.“
Ein paar Minuten später klappte er sein Telefon zu und schenkte Nina ein Lächeln, das sie blinzeln ließ. Die Augen hinter seinen langen Wimpern waren so hell wie der Himmel. „Tut mir leid, den Anruf musste ich entgegennehmen.“
Okay, so einer war er also, dachte Nina. Der gut aussehende, charismatische Typ, der wusste, wie er seine Vorzüge zu seinem Vorteil einzusetzen hatte. Sogar sie wurde ganz weich, als er jetzt seinen Charme anknipste.
„Landkarten.“ Sandra winkte ihm mit den Karten zu. „Wir können in den Nationalpark gehen oder auf einen Flohmarkt oder … wow, sind wir wirklich so nah an Woodstock?“
„Ja, das einzig wahre Woodstock ist nur einen Katzensprung entfernt“, bestätigte Nina. „Da gibt es allerdings nicht viel zu sehen. Aber die Stadt ist nett.“
„Wir können heute Nachmittag hinfahren, wenn du willst“, sagte Jack. „Heute Vormittag habe ich ein Tennismatch. Um genau zu sein, jetzt.“
Er hatte sich mit einem anderen Gast zu einem Spiel verabredet. Kimberly Van Dorn stand oben auf dem Rasen und winkte ihm zu. Im frisch gestärkten Tennisdress sah sie aus wie der Fleisch gewordene Traum aller Männer und der Albtraum jeder Frau – langes, seidig rotes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, große Brüste, die Beine eines Supermodels.
Nina warf einen nervösen Blick zu Sarah, aber die lächelte ihren Mann an und schien wegen seiner Tennispartnerwahl überhaupt keine Sorgen zu haben. „Viel Spaß – aber übertreib es nicht.“
„Ich übertreibe es immer“, sagte er grinsend. „Ist das nicht der Sinn der Sache?“
Sie lachte. „Klar, Ace. Feg die arme Frau vom Platz.“
Wie ein gehorsamer Dobermann lief er auf Kimberly zu. Sarah widmete sich wieder ihrem Block und zeichnete mit einem Pantone-Marker. Nina war beeindruckt, wie gelassen Sarah die ganze Angelegenheit hinnahm. Entweder die Ehe war sehr stabil, oder es war ihr egal, mit wem ihr Mann Tennis spielte – oder sie war vollkommen ahnungslos.
„Sie spielen kein Tennis?“, frage Nina.
„Sport ist nicht so meins. Jack lebt allerdings dafür. Ich bin einfach froh, zu sehen, dass er etwas tut, was ihm Freude macht. Was mich angeht, könnte er auch mit Paris Hilton spielen.“
„Oh, ich wollte nicht …“
„Ich weiß.“ Sarah lachte. „Es ist vermutlich schwer zu glauben, aber vor gar nicht langer Zeit waren wir nicht mal sicher, ob Jack noch hier sein würde, um Tennis zu spielen.“ Sie machte eine Pause und sagte dann: „Er hat gerade erst seine Krebsbehandlung beendet.“
„Das tut mir leid – ich hatte ja keine Ahnung.“
„Das zu hören würde ihn freuen. Er hasste es, krank auszusehen.“
Nina drehte sich um und sah, wie er das Tor zum Tennisplatz für Kimberly aufhielt. „Er sieht definitiv nicht krank aus.“
Sarah strahlte noch mehr. „Das sind unsere ersten Ferien seit der Diagnose. Wir sind hergekommen, um einander neu kennenzulernen. Weit weg von Krankenhäusern und Laboren und Arztbesuchen.“ Ihr Lächeln hatte mindestens tausend Watt. „Wir wollen als Paar wieder zusammenwachsen.“
Warum geht ihr Mann dann Tennis spielen? Nina schluckte die Frage hinunter. Das
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