Bewahre meinen Traum
beide so gerne Kinder, und … nun ja, je eher, desto besser. Nach seiner Krankheit ist mir erst klar geworden, wie unvorhersehbar die Zukunft ist. Man sollte das, was man will, nicht aufschieben. Und jetzt halten Sie mal einen Augenblick still, damit ich eine Zeichnung für Sie machen kann.“
„Wirklich? Danke.“ Nina dachte an Sarahs bedingungslose Hingabe an ihren Mann. Vielleicht war das Ninas Problem mit Beziehungen. Sie wollte alles. Sie wollte nicht nur die lang bewimperten Augen, sie wollte sie auch alleine auf sich gerichtet wissen. Vermutlich wollte sie etwas – jemanden –, das nicht existierte. Und vielleicht war das auch besser so. Wenn sie jemanden wollte, den es nicht gab, brauchte sie auch keine Zeit mit der Suche nach ihm zu verschwenden.
Was einer der erbärmlichsten Gedanken war, die sie je gehabt hatte. Sie sollte das Leben eines Singles führen, sich verabreden, sorgenfrei sein, mit Freunden ausgehen.
Während sie Sarah beim Zeichnen beobachtete, fragte sich Nina, wie es wohl war, sich mit einem solchen Eifer ein Kind zu wünschen. Auch wenn Nina das unverhoffte Geschenk einer Tochter zuteilgeworden war, wusste sie nicht, wie es sich anfühlte, ein Baby zu planen, auf seine Ankunft zu hoffen, sich nach ihm zu sehnen.
Sarah Moon erinnerte Nina daran, dass die Reise des Lebens überwältigende Schwierigkeiten bereithalten konnte und dass Liebe nicht immer einfach war. Manchmal gab es so fürchterliche Diagnosen wie Krebs oder Unfruchtbarkeit. Dennoch war klar, dass Bürden erträglicher und die Freuden süßer wurden, wenn man sich den Herausforderungen gemeinsam mit jemandem stellte, den man liebt. Zu schade, dass ihr Mann ein Arschloch ist, dachte Nina. Dann fühlte sie sich ob ihres Zynismus schuldig.
Sarah stellte die Zeichnung fertig. Auch wenn es eine Karikatur war, sah Nina darauf klug und gut gelaunt aus, sodass sie sich wegen ihrer kritischen Gedanken bezüglich Sarahs Mann noch schlechter fühlte. „Das ist fantastisch“, sagte sie. „Und Sie haben im Hintergrund das Inn gemalt. Das ist ein wunderschönes Andenken, Sarah.“
„Dann bestehe ich darauf, dass Sie es behalten.“ Sie setzte schwungvoll ihre Unterschrift darunter und riss das Blatt vom Skizzenblock ab.
„Ich werde es rahmen lassen“, versprach Nina ihr.
Sarah sammelte die Landkarten und Reiseführer ein. „Ich fühle mich geehrt. Und ich bin froh, dass wir dieses Hotel gefunden haben. Man fühlt sich hier wie in einer anderen Welt.“
„Das habe ich auch immer gedacht. Es fühlte sich immer an wie meine Welt.“
„Also leben Sie schon länger hier?“
„Jede Minute meines bisherigen Lebens. Ich will niemals irgendwo anders leben.“
„Das kann ich Ihnen nicht verdenken. Ich bin heute Morgen aufgewacht und dachte, was für ein herrlicher Ort, um schwanger zu werden. Leider war Jack zu dem Zeitpunkt gerade auf seiner morgendlichen Joggingrunde, sprich, er hatte wohl nicht den gleichen Gedanken.“
„Ich kann Ihnen versichern, dass kein Mann auf der Welt jemals diesen Gedanken gehabt hat“, tröstete Nina sie.
19. KAPITEL
D aisy machte Fotos vom Camp Kioga. Obwohl es sich nicht so anfühlte, war es ein echter, bezahlter Job. Olivia und Connor waren von ihren Bildern des Inn am Willow Lake so beeindruckt gewesen, dass sie sie engagiert hatten, um das Camp zu fotografieren. Innerhalb des nächsten Jahres planten sie, es als Familienresort wiederzueröffnen. Ihre Aufgabe war es, seine wilde Pracht einzufangen, die sich über achtzig Hektar unberührter Wildnis am See erstreckte. Ein ganzes Netz an Wanderwegen schlängelte sich durch die Bäume, Berge und Bäche.
Julian hatte sie begleitet und die große Tasche getragen, in der sich alle ihre Sachen befanden, die sie hierfür brauchte. Sie waren einen Weg zu den Meerskill Falls hinaufgegangen, die in den Tiefen des Berges entsprangen und sich aus großer Höhe in ein mit Farn umwachsenes, natürliches Becken stürzten. Daisy machte ein paar Nahaufnahmen der Rhododendronblüten, wählte eine lange Belichtungszeit, um die Gischt des aufspritzenden Wasser aufzunehmen, und schoss mit dem Weitwinkelobjektiv ein Bild von der alten Betonbrücke, die sich über den Wasserfall spannte.
Das volle Sommerlaub der Bäume verbarg den Weg, der zum Gipfel des Berges und zu den vielen Höhlen führte, die sich in den Fels gegraben hatten. Es handelte sich um Eishöhlen, die in ihrem Inneren so kalt waren, dass sie niemals tauten. Im letzten Winter hatten Daisy und
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