Bewahre meinen Traum
Greg, wieso Nina so wütend auf ihn gewesen war. Kein Wunder.
„Ich mag sie auch“, sagte Max und schichtete seine Pokerchips zu kleinen Stapeln auf. „Vor allem nach heute.“
„Was ist heute passiert?“
Max fuhr fort, die Chips zu stapeln, und konzentrierte sich sehr darauf, die gezahnten Ränder ordentlich übereinander zu legen. „Ich höre mit Baseball auf“, sagte er. „Keine Little League mehr für mich.“
Hitze. Eine Hitzewelle war im Spätsommer hereingebrochen, wie der letzte Vorstoß einer Armee vor der Kapitulation. Die Temperaturen lagen um die dreißig Grad, was um Avalon herum ziemlich unerträglich war. Es war Ninas freier Abend, aber sie hatte nichts vor. In ihrem Haus herrschte das Chaos, doch sie hatte keine Lust, aufzuräumen. Hausarbeiten hatte sie schon immer eher widerwillig erledigt, und jetzt, wo Sonnet nicht mehr da war, ließ Nina ihrer inneren Schlampe freien Lauf. Wenn es so heiß war, sollte niemand Hausarbeit erledigen müssen.
Sie war unruhig und verschwitzt. Sogar mit offenem Fenster und auf höchster Stufe laufenden Ventilatoren war es stickig. Sie machte sie eine Schüssel Cornflakes und stellte sich damit auf ihre Veranda, um die Sterne zu betrachten, die am samtenen Himmel funkelten. Schließlich ertrug sie es nicht mehr, also zog sie einen Badeanzug an und ging schwimmen, ganz allein im Dunkeln. Als sie sich unter die Wasseroberfläche gleiten ließ, dachte sie daran, wie sich ein Bad im See angefühlt hatte, als sie noch jünger gewesen war – kalt und befreiend und leicht verboten. Sie schwebte auf dem Rücken und schaute zu den Sternen hinauf.
Wieder einmal war sie allein. Sie mochte es, allein zu sein. Sie müsste es nicht, wenn sie nicht wollte. Es gab genügend Gelegenheiten. Bo Crutcher, der Star-Pitcher der Hornets, hatte sie für heute auf ein Date eingeladen. Na ja, er hatte es nicht Date genannt, aber er hatte sie gefragt, ob sie Lust hätte, mit zur Hill Top Tavern zu kommen. Bo war lustig – vielleicht etwas zu lustig –, und einen Moment lang war Nina versucht gewesen, die Einladung anzunehmen. Er war weiß Gott attraktiv, groß und athletisch und durch und durch Texaner, sowohl was seinen Charme anging als auch seine Fähigkeit, ein Bier nach dem anderen zu trinken, bis er ganz weich wurde und romantische Sachen sagte, die er nicht meinte. Es wäre ihm gegenüber allerdings nicht fair. Sie wäre keine gute Gesellschaft, denn sosehr sie es auch versuchte, sie konnte nicht aufhören, an Greg Bellamy zu denken.
Sie tauchte unter und kam zum Luftholen wieder hoch, ließ sich durch das kühle Wasser gleiten und beobachtete den langen, silbrigen Pfad, den das Mondlicht auf die Oberfläche warf. Die tiefe Einsamkeit, die sie in diesem Moment überfiel, ließ sie ihre Meinung ändern – vielleicht würde sie doch noch in die Hill Top Tavern gehen, ein wenig Billard oder Darts spielen. Entschlossen, ihre düstere Stimmung abzuschütteln, ging sie nach oben und duschte schnell, wobei sie das Lied im Radio lauthals mitsang. Sie hatte sich gerade ein Handtuch um den Kopf gewickelt, als sie ein Klopfen an der Tür hörte.
Mit einem Fluch zog sie sich ein Hornets-T-Shirt über und suchte in der Schublade nach einer Unterhose. Kein Glück – ihre ganze Unterwäsche lag in dem Wäschekorb im Wohnzimmer und wartete darauf, zusammengelegt und weggeräumt zu werden. Es klopfte wieder, und dieses Mal klang es laut und dringend. Sie schlüpfte in ein paar abgeschnittene Jeans und ging zur Tür.
Auf dem Weg durchs Haus fiel ihr Blick auf die Unordnung. Ihre innere Schlampe hatte keinen Besuch erwartet. Da stand ein Korb mit halb gefalteter Wäsche, eine Spüle voller Geschirr, das sie noch nicht abgewaschen hatte, ein Stapel ungeöffneter Post, und jeder ihrer Schritte wirbelte Staubmäuse auf. Mit einer Hand hielt sie den Handtuchturban fest, mit der anderen schaltete sie das Verandalicht an. Auf der anderen Seite der Fliegengittertür stand Greg Bellamy.
„Ich hatte gerade eine interessante Unterhaltung mit meinen Kindern“, sagte er, und sein Ton klang nicht sonderlich freundlich. „Kann ich reinkommen?“
Nina erstarrte. Normalerweise passierte es nur in ihrer Fantasie, dass ein Mann, der aussah wie der hier, darum bat, hereinkommen zu dürfen. Vor allem nachdem sie das Thema Verabredungen mehr oder weniger ad acta gelegt hatte. Anfang hatte sie Greg die Schuld dafür gegeben, aber später hatte sie vor sich – und nur vor sich – zugegeben, dass mit
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