Bewahre meinen Traum
war.
Nina drehte das Wasser extra weit auf, um zu zeigen, dass sie nicht absichtlich lauschte. Dennoch hörte sie einen Satzfetzen. „… niemand. Nur eine Aushilfe.“
Ja, das bin ich, dachte Nina bitter, während sie darauf wartete, dass warmes Wasser kam. Nur eine Aushilfe. Die Aushilfe, die seit fünf Stunden auf den Beinen war, um Sophie und ihre Freunde zu bedienen.
Sie kannte diese Art von Menschen – Snobs der besseren Gesellschaft, die Fahrer und Haushälterinnen wie ein Niemand behandelten, wie ein Möbelstück, in dessen Gegenwart man alles sagen konnte. Sie und ihre Freunde hatten diese falsch-ernsthafte Art, so zu tun, als wären sie deine beste Freundin, während sie sich in Wahrheit nicht die Bohne für dich interessierten. Greg Bellamy konnte sie ruhig haben – viel Spaß damit.
Im Spiegel über dem Waschbecken sah sie die beiden Frauen in dem Vorraum sitzen. Sophie hatte das Oberteil ihres Hochzeitskleides heruntergeschoben und hielt ein kleines, in pinkfarbene Decken eingehülltes Bündel an ihre Brust.
„Ich finde es unglaublich“, sagte Miranda bewundernd. „Du hast einfach alles – den Mann, das Baby und … einfach alles.“
„Erinnere mich daran, wie unglaublich das alles ist, wenn ich morgens um zwei Uhr aufstehen muss, um zu stillen“, sagte Sophie.
Armes reiches Mädchen, dachte Nina und spülte sich den Mund mit Wasser aus. Heul doch.
Miranda senkte ihre Stimme, aber Nina konnte sie trotzdem hören. „Okay, jetzt raus damit. Hast du das geplant?“
Nina hatte eigentlich gehen wollen. Jetzt jedoch schnappte sie sich ein Papierhandtuch, feuchtete es an und ließ sich Zeit, damit das Gesicht abzutupfen. Sie konnte nicht anders, sie musste einfach ihre Ohren spitzen.
„Für wen hältst du mich denn?“, fragte Sophie. „Ich habe wochenlang gar nicht gemerkt, dass ich schwanger war. Mir war nur schlecht und übel und ich war dauernd müde. Ich dachte, ich hätte mir einen Virus eingefangen oder eine Allergie auf die japanische Küche, weil ich kein Essen bei mir behalten konnte. Dann machte ich mir Sorgen, dass ich eine Blasenentzündung hätte, weil ich alle naslang auf Toilette musste. Eine Schwangerschaft ist mir jedoch nie in den Sinn gekommen. Was mir dann schließlich den entscheidenden Hinweis gegeben hat, war, dass meine Brüste sich veränderten. Sie wurden größer und … na ja, irgendwie empfindlicher.“
Ninas Hand zitterte, als sie sie zu ihrer Brust hob, wo der elastische Bund ihres BHs sie einengte. Hatte sie sich hier auch verändert? Waren ihre Brüste empfindlich? Sie hatte gedacht, sie hätte sich nachts im Schlaf einfach verlegen.
„Da habe ich versucht mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal meine Periode hatte“, gestand Sophie ihrer Freundin. „Wie sich herausstellte, waren schon zwei oder so ausgefallen …“
Nina ließ die Hand fallen und stand wie angegossen vor dem Waschbecken. Das warme Wasser lief ihr über die Finger. Sie versuchte auch, sich zu erinnern. Oh mein Gott, dachte sie. Oh Gott, oh Gott, oh Gott.
Nina sprach nie wieder mit Greg. Sie nahm an, dass er sie vergessen hatte. Richtig gekannt hatte er sie ohnehin nicht wirklich, und vermutlich würde er sie nicht einmal wiedererkennen, wenn er über sie stolperte.
Und was Nina anging, sie hatte weder die Zeit noch die emotionale Energie, sich mit jemandem zu beschäftigen, der einen so kleinen Teil ihres Lebens beansprucht hatte. Am Tag der Bellamy-Hochzeit veränderte sich ihr Leben, auch wenn das mit den Bellamys nichts zu tun hatte. Oder der Hochzeit. Aber an dem Tag erkannte Nina, dass sie schwanger war. In einem Zustand der Panik und des Schocks hatte sie es so lange verleugnet, wie es ging, und es vor allen außer sich selbst geheim gehalten.
Das dachte sie zumindest. Eines schönen Herbstmorgens scheuchte ihre Mutter alle anderen früher als sonst zur Schule. Während Nina ihre Sachen in den Rucksack steckte, der ihr als Ranzen diente, kam ihr das Haus ungewöhnlich still vor. Sie konnte sogar das Radio spielen hören, es war auf den Lieblingssender ihres Vaters eingestellt.
Verwirrt trat Nina ans Fenster und schaute über den mit Blättern übersäten Garten. „Hey, Pop ist ohne mich gefahren“, sagte sie. Einer der wenigen – sehr wenigen – Vorteile, einen Lehrer als Vater zu haben, war, dass sie nicht mit dem Bus zur Schule fahren musste. Sie und ihre älteren Brüder und Schwestern fuhren jeden Morgen mit ihrem Dad.
„Ich habe ihnen gesagt, sie sollen schon
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