Bewahre meinen Traum
Geschwister. Und zwei Paare Großeltern. Das war’s. Oh, und das Baby. Das kleine Nest aus pinkfarbenen Decken war der Grund für all die Aufregung.
Kleine Familien faszinierten Nina. Sie schienen immer so ruhig, so höflich und reserviert. Sie beobachtete sie an einem der runden Tische im Frühstücksraum, wie sie die Sahne herumreichten und sich die Zeitung aufteilten, wobei sie leise miteinander sprachen.
Was für ein Unterschied zum Haushalt der Romanos. Zuerst einmal gingen sie nie außerhalb frühstücken. Wer sollte das auch bezahlen? Frühstück war bei Nina zu Hause immer ein wildes Durcheinander. Die Geschwister stritten sich über die nächste Scheibe Toast oder das letzte Glas Saft. Nach dem Chaos beim Essen folgte eine hektische Suche nach Schlüsseln, Sportklamotten, Schulbüchern oder Zugfahrkarten, die in einem Massenansturm auf die Haustür endete. Danach ähnelte die Küche einem Dorf, das von wütenden Horden heimgesucht worden war.
Kleine Familien waren gedämpft. Man hörte das Klirren von Porzellan und Silber. Man hörte die Mütter sagen: „Zappel nicht so, meine Liebe“ oder „Reichst du mir bitte das Salz?“
Der Tag der Bellamy-Hochzeit war ein letzter sonniger Gruß des Sommers. Am Morgen arbeitete Nina im Frühstücksraum des Inn. Anders als andere Kinder, die miese Sommerjobs in der Autowäsche oder im öffentlichen Schwimmbad hatten, liebte Nina ihre Arbeit im Inn am Willow Lake. Auch wenn es etwas heruntergekommen war, war es immer noch vornehm und friedvoll. Nina liebte es, die Gäste willkommen zu heißen und es ihnen in dem kleinen Hafen am Ufer des idyllischen Willow Lakes heimisch zu machen.
Heute jedoch musste sie direkt nach dem Frühstück los. Ihre Mutter hatte sie und Jenny rekrutiert, um bei der Hochzeit zu helfen. Nach der Zeremonie würde es ein Dinner im Haupthaus von Camp Kioga geben, und Ninas Mutter war für das Essen verantwortlich.
Sie und Jenny fuhren mit dem Transporter der Sky River Bakery. Sie hatten die wunderschöne, dreistöckige Hochzeitstorte dabei, die Mrs Majesky gerade noch mit ein paar Verzierungen aus Blattgold und silbernen Liebesperlen gekrönt hatte. Jenny war ungewohnt still, denn ihre Hauptgründe, das Camp zu besuchen – genauer gesagt die beiden Jungen, die dort den Sommer verbracht hatten –, waren abgereist. Sie wusste, dass sie sie erst im nächsten Jahr wiedersehen würde.
Nina war auch sehr still, und ihr war ein wenig übel, aber das lag nicht an Liebeskummer wie bei Jenny. Der zuckrige Geruch im Van in Verbindung mit der kurvigen Straße zum Camp machte es nicht besser. Sie wünschte, sie hätte das Frühstück nicht ausfallen lassen. Normalerweise war es den Bediensteten im Inn erlaubt, sich auch beim Frühstück zu bedienen, aber heute Morgen hatte der Gedanke daran, etwas zu essen, in Nina das Bedürfnis geweckt, sich zu übergeben. Außerdem musste sie mal ganz dringend pieschern, und sobald sie vor dem Haupthaus anhielten, rannte sie zu den Toiletten.
Den Rest des Tages war sie zu beschäftigt, um sich Gedanken um ihren aufgewühlten Magen zu machen. In letzter Minute tauchten Gregs zwei Schwestern und sein Bruder auf, gefolgt von einigen Collegekumpels von Greg. Langsam fing das Ganze an, zu einer echten Party zu werden. Nina und Jenny halfen in der Küche, und als die Gäste zum Empfang kamen, sorgten die beiden Mädchen dafür, dass die Büfetttische immer wohl gefüllt waren mit all den Leckereien, die Mrs Romano zubereitet hatte. Eine Band spielte, und bei Sonnenuntergang wurde der Tanz eröffnet. Nina warf Greg Bellamy immer wieder verstohlene Blicke zu, die er allerdings nicht zu bemerken schien. Er und Sophie – seine Frau , wow – gingen ganz in den Feierlichkeiten auf. Wenn man den Gerüchten glauben durfte, hatten die beiden sich im College kennengelernt. Sie hatten sich vor Monaten getrennt, und dann war Sophie wie aus dem Nichts mit einem Baby aufgetaucht, und plötzlich waren sie wieder ganz doll ineinander verliebt.
Kein Wunder, dass Greg einfach durch Nina hindurchzusehen schien, als sie mit einer Platte Pollo Cacciatore an ihm vorbeiging. Er erinnerte sich vermutlich nicht mal mehr an den Sommerabend, an dem der Geruch von Blumen in der Luft gelegen und er Nina mit dem Auto nach Hause gefahren hatte. Der Abend, an dem er gesagt hatte: „Vielleicht eines Tages … Ich könnte dich überraschen.“
Es war peinlich genug, dass Nina diesen Abend in Gedanken wieder und wieder durchgespielt hatte. Den
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