Bewahre meinen Traum
Tagen darüber nach – wie es wohl wäre, mit ihr auszugehen. Etwas mit ihr zu unternehmen, das nichts mit dem Geschäft zu tun hatte. Nächtelang hatte er wach gelegen und war seine Optionen durchgegangen. Letzte Nacht hatte ihn dann ein Gefühl knochentiefer Einsamkeit aus dem Bett getrieben. Er war in die warme Sommernacht hinausgeschlüpft; die milde Luft vibrierte vom Zirpen der Grillen und den Rufen der Frösche. Er hatte über das verlassen daliegende Grundstück geschaut und ein Licht im Bootshaus gesehen. Die Vorstellung, dass Nina auch wach war, war irgendwie faszinierend gewesen. Da war dieses Mädchen, das er schon seit Jahren kannte, und endlich waren ihre Wege miteinander verbunden. Warum zum Teufel nicht? dachte er.
Er setzte sich gerader hin und räusperte sich. „Also, ich habe mich gefragt …“
„Ja?“ Sie beugte sich vor und schaute ihn mit einer seltsamen Intensität an. Ihre Reaktion war so schnell erfolgt, beinahe als hätte sie die Frage erwartet. Ihr fiel auf, dass sie etwas voreilig gewesen war, und lachte leise. „Tut mir leid. Was wolltest du sagen?“
„Ich dachte, du und ich …“
„Yo, Romano, ich hab gehofft, dich hier zu treffen.“ Ein großer Mann in Jeans und Arbeitsstiefeln kam an ihren Tisch.
Sie strahlte ihn an. „Hallo, Nils. Darf ich vorstellen, Greg Bellamy, Besitzer des Inn am Willow Lake. Greg – Nils Jensen aus dem Schmuckladen.“
Sie schüttelten die Hände und maßen sich mit ihren Blicken. Der Kerl sah nicht gerade wie ein Goldschmied aus. „Nett, Sie kennenzulernen“, log Greg.
„Gleichfalls“, log Nils zurück. Dann richtete er seine gesamte Aufmerksamkeit wieder auf Nina. „Steht unsere Verabredung für heute Abend noch?“
„Auf jeden Fall“, sagte sie.
Eine Verabredung? Wozu? Greg versuchte, sich nicht aufzuregen. Er hatte sie ja noch nicht einmal um ein Date gebeten. Und Nina war seine Geschäftspartnerin, nicht seine Freundin. Dennoch gefiel ihm die besitzergreifende Art nicht, mit der Jensen seine Pläne für irgendeine Verabredung mit ihr bestätigte.
Sie erbot sich nach seinem Abgang nicht, die entstandenen Wissenslücken zu füllen, sondern widmete sich wieder ihrer To-do-Liste. „Okay“, sagte sie. „Ich habe einen Zeitplan für alles erstellt, was vor der Eröffnung noch erledigt werden muss. Hier ist deine Kopie.“ Sie reichte ihm den Zettel mit einer kleinen Verbeugung. „Oh, und hast du die Slipanlage beim Bootshaus reparieren lassen?“
„Ein Teil muss geschweißt werden.“ Er schnappte sich die Liste und steckte sie, ohne einen Blick darauf zu werfen, in seine Tasche. „Ich kümmere mich darum.“
Sie schien seine Gereiztheit nicht zu bemerken und aß in aller Seelenruhe die Glasur von ihrem Donut. Den Rest ließ sie liegen. „Danke. Also … du wolltest mich gerade etwas fragen?“
Bestimmt, dachte er. „Was? Nein.“
„Oh. Ich dachte, bevor Nils hier aufgetaucht ist, hattest du eine Frage gehabt.“
„Ist mir entfallen“, sagte er. „Kann also nicht so wichtig gewesen sein.“
„Ja, wohl nicht“, stimmte sie zu. „Bist du fertig? Ich parke ein Stück die Straße runter.“
Ninas Auto war wie alles an ihr: klein, fröhlich und süß. Sie fuhr einen Fiat von der Farbe einer Butterblume. Das Radio war auf seinen Lieblingssender eingestellt – Zufall, sagte er sich –, und auf dem Rücksitz tummelte sich alles, was eine geschäftige Frau so brauchte.
„Du hast da hinten ja ein mobiles Büro“, bemerkte er.
„Mir ist bis jetzt noch kein vernünftiges Ordnungssystem eingefallen.“
„Connor hat das Büro im Inn von einem Effizienzexperten einrichten lassen“, rief Greg ihr in Erinnerung.
„Es ist unmöglich, das System eines Menschen auf einen anderen zu übertragen“, entgegnete sie.
Greg sagte nichts. Er nahm an, dass es einen tieferen Grund gab, wieso sie das Büro im Inn noch nicht bezogen hatte, aber er zwang sich, seinen Verdruss darüber abzuschütteln. Konzentrier dich. Es ist rein geschäftlich.
Aus irgendeinem Grund spürte Nina eine leichte Spannung zwischen Greg und sich, und sie war sich nicht sicher, woher die kam. Bevor Nils an den Tisch gekommen war, um sie an die Bowling-Liga zu erinnern, hatte sie das Gefühl, Greg wolle sie etwas fragen. Sie um eine Verabredung bitten, aber dieses Mal nicht geschäftlich.
Nein, vielleicht doch nicht, sagte sie sich. Das war vermutlich nur Wunschdenken. Und es war auch besser so, denn wenn er sie fragen würde, ob sie mit ihm ausgehen
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