Bewegt Euch
Ihre persönlichen Energien kennen und optimieren Sie Ihr Leben
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Als Nächstes wird dem Freizeitsportler Neuro-Optimierung angeboten, also Gehirnmanipulation, die garantiert zum Sixpack führt, diesmal aber wirklich.
Kann es sein, dass wir uns im lebenslangen Lernen verlieren, wie die Wirtschaftsforscherin Sabine Maasen vermutet, in einer Endlosschleife der Optimierungssucht?
Was die Evolution schon lange weiß und die Wissenschaft zu ahnen beginnt: Optimierung bedeutet nicht Idealzustand, sondern einen Kompromiss, der ständig nachjustiert werden will. Natürlich lässt sich die Kraft steigern, mit viel Gewicht an der Hantelstange. Aber damit steigt die Körpermasse, was wiederum die Schnelligkeit schwinden lässt. Klar, wer dreimal in der Woche auf der Tartanbahn sprintet, wird sicher schneller. Nur: Wie reagiert der Körper? Muskelfasern und Achillessehne geben bald die schmerzhafte Antwort.
Wer sein ganzes Leben der Jagd nach persönlichen Bestzeiten unterwirft, entwickelt mit der Zeit ähnliche Züge wie der Botox-Junkie. Die Realität verschiebt sich. Das Selbstbild wird immer hässlicher. Für eine Weile können uns Taurin und Maca, Peperoni-Tricks und Tschaka darüber hinwegtäuschen, dass Körper, Geist und Seele begrenzt sind. Aber auf Dauer hält die Optimierung ihre eigenen Versprechen nicht.
Im Optimierungsstress wenden Ungeduldige gern die Froschstrategie an. Sie hüpfen von Kurs zu Kurs, von Coach zu Meister, von Studio zu Seminar. Fast immer allerdings entpuppt sich die Optimierung nur als neues Arrangement alter Probleme. »Beim Yoga schlafe ich immer ein, aber beim Aqua-Pilates ist es mir zu kalt«, erklärte mir eine Bekannte. Jetzt ist sie beim Boxen, weil da alle Muskeln optimal angesprochen werden.
Natürlich ist der moderne Mensch gezwungen, seine Zeit klug zu nutzen. Aber hat der liebe Gott uns auf die Welt geschickt, um das Leben nach Effizienzplan abzuarbeiten?
Meine erste Marathonvorbereitung war von krankhafter Optimierungssucht getrieben. Zunächst umgab ich mich mit einem Technologiepark. Der erste Blick nach dem Aufwachen galt der Uhr: Wie stand es um meinen Ruhepuls? Ich gestehe, ich habe tatsächlich ein paar Wochen lang mit dem Messgurt um die Brust geschlafen. Und ich verstehe meine Frau, die mich für durchgeknallt hielt.
Im Bad dann auf die Hochleistungswaage, die nicht nur Gewicht, sondern auch Körperfettanteil bekanntgab. Lagen die Werte im gewünschten Bereich, war ich erleichtert. Waren sie besser, war ich glücklich, aber auch voller Angst, dass es zu einem Rückfall kommen könnte. Deutete sich die leichteste Verschlechterung an, war ich für den Rest des Tages ungenießbar.
Jeder Auslauf war mit minutiösen Aufgaben bepackt. Ich ging nicht mehr Laufen, sondern absolvierte 40 Minuten in 4:50 min/km bei Puls 153. Wer jemals versucht hat, konstant sowohl Tempo als auch Herzschlag durchzuhalten, der weiß, was ein Tunnelblick ist. Aber es war optimal.
Das Versprechen vieler Pläne lautet: Je präziser du dich an die Vorgaben hältst, desto weniger Zeit brauchst du, um noch schneller noch besser zu werden. Für eine Weile dachte ich tatsächlich, dass mein Leib eine Art Formel-1-Auto ist, das sich mit minimalen Drehungen an ganz vielen kleinen Schräubchen endlos optimieren ließe. Das Ergebnis war ein anderes: Unlust, immerhin auch Selbsterkenntnis.
Ich habe gelernt, dass man binnen weniger Tage zum Sklaven von Zahlen und Messwerten werden kann. Eine Pulsuhr kann die Macht eines Diktators entwickeln. Leider habe ich eine aufständische Ader. Das Leben ist voll mit Terminen. Warum soll ich ausgerechnet in der einen Stunde, die ich mir freigeräumt habe, diesen Druck umso gnadenloser fortsetzen? Warum tausche ich den Lebensstress gegen einen noch brutaleren Bewegungsstress?
Ich habe erkannt, dass ich nicht zum Calvinisten in kurzen Hosen geboren bin. Trainingspläne sind gleichwohl sinnvoll. Wer nicht zufällig ein Naturtalent ist, wird ohne systematische Vorbereitung kaum einen Marathon durchstehen.
Aber diese Phasen brauchen Anfang und Ende, die zum Leben passen. Wer Stress im Job hat, Kinder zu Hause und einen Partner, der sich nicht zu 100 Prozent dem Hobby des anderen unterordnet, der tut gut daran, Optimierung durch fröhliche Lockerheit zu ersetzen.
Es ist ein Tabu, aber fast jeder Ausdauersportler kennt Kollegen, bei denen die Optimierungssucht zu ernsten Problemen bei der Arbeit oder in der Ehe geführt
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