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Bewegt Euch

Bewegt Euch

Titel: Bewegt Euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hajo Schumacher
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Kompressionswäsche gequetscht, natürlich nur im Dienste des Lesers. Am Ende ist es wie mit der Mode – irgendwann hat man alles mal durch und wartet auf die nächste Runde.
    Wer immer neue, alte Methoden und Produkte ausprobieren mag, der sollte eine ordentliche Portion Selbstironie mitbringen und Equipment wie ein gutes Essen betrachten. Die Freude daran verflüchtigt sich relativ schnell, dafür war es teuer. Und man kann auf Stehpartys mit Sätzen brillieren, die mit den Worten beginnen: »Ich mach’ ja jetzt …«.
    Konsum ist gut, Power-Shopper schaffen Umsatz und Arbeitsplätze. Die Volkswirtschaft lebt von darstellenden Bewegern, Menschen also, die nicht übermäßig sportlich sind, aber sich gern so fühlen. Mal gucken, mal ausprobieren und schnell wieder abhauen. Ist ja auch Bewegung.
    Die weniger gute Nachricht: Gutes Bewegen hat mit Kontinuität zu tun. Faustregel: So lange es gedauert hat, den Körper zu ruinieren, so lange dauert es, ihn zu renovieren. Ein Wasch brettbauch ist Ergebnis jahrelanger Fron, kein Wochenend projekt. Wer Express-Ergebnisse verspricht, der lügt. Und wer pausenlos danach sucht, belügt sich selbst.
    Zu den harten, aber wahren Fakten gehört: Es gibt keine Abkürzungen, nicht mal Garantie. Es gibt nur Anfangen und Dranbleiben. Mag es auch den psychologisch interessanten Effekt geben, dass der Kauf von Hilfsliteratur bereits ein subjektiv dynamischeres Lebensgefühl erzeugt, objektiv ist davon nichts zu sehen.
    Mich vom Ratgeber-Terror zu befreien war einer der wichtigsten Schritte in meinem Leben als Freizeitsportler. Bis heute schmökere ich mit Vergnügen in diesen Büchern, die mir ewige Jugend und globales Glück versprechen – aber ich nehme sie nicht mehr so ernst. Würden diese Programme wirklich funktionieren, dann wären wir allesamt ewig jung und global glücklich – sind wir aber nicht. Statt fremden Leuten vertraue ich todesmutig inzwischen mir selbst.
    Es war Dr. Matthias Marquardt, der mich in diesem Empfinden bestätigt hat. »Der Körper holt sich, was er braucht«, sagt Deutschlands bekanntester Lauf-Orthopäde: »Und meistens spürst du das ganz deutlich.« Seither weiß ich, woher mein gelegentlicher Gierdurst auf Buttermilch stammt. Nein, ich bin nicht pervers, sondern mein System funkt einen Mangel an Eiweiß, Kalzium und Flüssigkeit ans Hirn. Würde ich den Buttermilch-Jieper mit Cola bekämpfen, kämen aus der Magengegend Beschwerden: »Der Stoff ist jetzt nicht gefragt, Sportsfreund. Gib mir das andere.«
    Über sehr viele Umwege habe ich gelernt zu verstehen, was meine Körpermaschine mir sagen will. Wenn um 23 Uhr plötzlich ein gewaltiger Appetit auf Parmesan mit sauren Gurken aufkommt, begleitet von einem Pfützchen Rotwein, dann gehorche ich. Es schmeckt mir. Ich stelle mir vor, Löcher zu stopfen, die die Radfahrt quer durch die Stadt in meine Waden gerissen hat.
    Und so ist es auch im Sportgeschäft. Neues an- und ausprobieren – immer gern. Aber es ist ein durchaus erhebendes Gefühl, ohne sieben Tüten aus der Tür zu gehen. Nicht Schuhe machen ausdauernder, sondern Übung. Erst Kontinuität schafft Körperkapital. Versprochene Abkürzungen dagegen sind vor allem teuer, zu bezahlen mit Geld oder Gesundheit. Ein über gewichtiger Anfänger wird sich in Ultraleichtschuhen die Achil lessehne ruinieren, Novizen oder nicht ganz Austrainierte sehen auf 6 000-Euro-Zeitfahrrädern ebenso albern aus wie in bauchfreier Wettkampfwäsche. Und wer nicht über den Magen einer Kuh verfügt, sollte Nahrungsergänzungsmittelchen erst mal in der dünnsten Dosis probieren. Schnell wird man andernfalls nur beim Sprint in die sanitären Anlagen. Die Power-Programme zum Sixpack schließlich garantieren eine unschöne Mischung aus Überfordern und Enttäuschen. Sollte eines dieser Programme ausnahmsweise wirklich funktionieren, wird es sich schnell herumsprechen. Dann kann ich immer noch einsteigen.

Das Projekt-Problem

    Ja mach nur einen Plan/
Sei nur ein großes Licht!/
Und mach dann noch ’nen zweiten Plan/
Gehn tun sie beide nicht.
    Bertold Brecht, Dreigroschenoper
    Horst ist Anfang vierzig, hat Job, Familie und dauerhaften Rotweindurst. Chronischen Schlafmangel gleicht er mit erhöhtem Gummibärchen-Konsum aus. Eines Tages entschließt sich Horst, an seine sportlich erfolgreiche Jugend anzuknüpfen. Damals spielte er Fußball, stemmte Gewichte und war der Held seiner Klasse bei den Bundesjugendspielen. Erzählt er jedenfalls.
    In seinem Bekanntenkreis

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