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Bewegt Euch

Bewegt Euch

Titel: Bewegt Euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hajo Schumacher
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vorzubereiten.
    Manchmal liefen wir in der 2+1-Formation, manchmal zu dritt nebeneinander, manchmal jeder für sich allein. An einem Flecken mit Walderdbeeren schnurrt die Truppe wie von selbst wieder zusammen. Die Zeit verliert sich. Das Gefühl, gemeinsam unterwegs zu sein, wächst mit dem Maß an Freiheit, das jeder für sich beanspruchen darf.
    Es ist wie bei einer guten Fußball-Strategie: gemeinsame Marschroute, aber individueller Spielraum. Freiheit und Sicherheit, die beiden Grundbedürfnisse, müssen in der Balance bleiben, auch beim Wandern.
    Arved Fuchs am Kap Hoorn
    Die Jahre am Ende des vergangenen Jahrtausends verbrachten wir unsere Urlaube in dem wunderbaren Ferienhaus eines Freundes in Irland. Damals schlief der Celtic tiger noch, Irland war eine Art nordwesteuropäisches Griechenland, sehr agrarisch, mit viel Natur und herzlichen Menschen, die einem Pint Guinness im Pub eher zugetan waren als dem Investment Banking.
    In der Weite West Corks waren wir viel mit dem Auto und zu Fuß unterwegs. Der Große war damals noch klein, wir genossen die Unabhängigkeit von den Schulferien. Nahezu täglich kamen wir bei unseren Ausflügen an einer ehemaligen Schule in Union Hall vorbei, die Rucksack-Touristen als Guest House diente. Immer wieder sah ich dieses Schild: »Sea Kayaking«.
    Wir hatten schon einige Touren mit dem Kanu bewältigt, auf norddeutschen oder skandinavischen Flüssen. Aber im Kajak, auf dem Atlantik mit seinen im ruhigsten Fall mannshohen Wellen, das war wohl eine andere Angelegenheit. Eines Tages hielt ich unvermittelt an. »Sollen wir da mal fragen?«
    Die Mutter unseres damals einzigen Kindes war natürlich besorgt: War ein Trip auf dem Weltmeer für uns Süßwasser-Matrosen nicht ein wenig gewagt? Ich hatte sofort Arved Fuchs im Kopf, wie er in den Achtzigerjahren ums Kap Hoorn gepaddelt war, die Spritzdecke von Seewasser durchnässt, das kleine Boot wie ein Korken auf rauer, feindlicher See.
    Wir klingelten. Und Jim Kennedy beruhigte uns. Die ersten Fahrten würden in ruhigem Wasser unternommen. Schon am nächsten Morgen sollte es so weit sein: ein wenig Bootskunde, einige Techniktipps, Sicherheitsinstruktionen natürlich, und dann ab ins Meer.
    Bewegen macht erst richtig Spaß, wenn fantasieanregende Ausrüstung im Spiel ist. Ich half, die Boote auf den Anhänger zu laden. Wir probierten Spritzdecken aus, wedelten mit Paddeln testhalber in der Luft herum und konnten es kaum abwarten. Jim war vielfacher irischer Meister im Kajak gewesen und brachte die nötige Ruhe mit, um ungeduldige Städter zu erden. »Es macht sehr viel Spaß«, sagte er zum Beispiel, »aber es ist auch eine ernste Angelegenheit. Wenn du auf offener See kenterst und du weißt nicht, was zu tun ist, bist du tot. Wer nicht ertrinkt, der erfriert.«
    Ein Kajaklehrer trägt mindestens so viel Verantwortung wie ein Bergführer am Matterhorn. Jim hätte nicht nur sich, sondern auch eine deutsche Kleinfamilie zu retten. Unser Respekt vor den schmalen, kippeligen Booten, vor garstigen Böen und kabbeligen Wellen war immens. Am Ende des ersten Tages verließen wir bereits die schützende Bucht und paddelten an der steilen Küste entlang, wo Seeotter in der Nachmittagssonne spielten. Unser Kleiner saß vorn bei Jim im Zweier, die Gattin und ich manövrierten unsere Einer nervös an den Felsen entlang.
    Kajakfahren ist ein leiser Sport. Das Einstechen der Paddel ist kaum zu hören, je weniger Aufsehen der Pilot erregt, desto mehr bekommt er zu sehen. Die Welt vom Wasser aus bietet eine völlig neue Perspektive. Das Leben findet plötzlich auf der anderen Seite statt, im nassen, unbekannten Element, von dem der Mensch nur durch ein paar Millimeter Kunststoff getrennt ist. Das Kajak-Paddel ist ein ebenso simples wie hoch wirkungsvolles Werkzeug. Vorwärtskommen, Steuern, Abstoßen, Stabilisieren – alles erledigen diese beiden flossenartigen Flächen, sofern man sie zu bedienen weiß.
    Die meditative Kraft des Paddelns erwächst aus dem rhythmischen Wechselschlag. Dieses stetige Links-Rechts hat viel mit Laufen oder Radfahren oder Ski-Langlauf gemeinsam. Kraft spielt gerade am Anfang viel weniger eine Rolle als das Gefühl für Wasser, eine Nase für den Wind, der Blick für die Wellen.
    Auch hier hilft: loslassen; den sanften oder bisweilen heftigen Druck der Elemente geduldig erspüren und im gelassenen Ziehen des Paddels umwandeln in Schub nach vorn. Wie Radfahren auch ist Paddeln eine Bewegungsart, die man mit etwas Übung

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