Bewegungswissenschaft
Zentralnervensystem keine speziellen Bewegungsrepräsentationen, vielmehr fügen sich die motorischen Programme vor und während der Bewegungsausführung situationsspezifisch aus weniger komplexen Komponenten neu zusammen. Die einzelnen Unterprogramme bestehen aus angeborenen Signalreflexen, peripheren Servomechanismen oder Teilabschnitten beherrschter Willkürbewegungen. Letztere greifen auf tiefer liegende sequenzielle Unterbefehle zurück. Ein Beispiel für die hierarchisch-sequenzielle Organisation sportmotorischer Fertigkeiten gibt Abbildung 25 für den „beidhändigen Überkopfpass“ im Basketball wieder.
Das motorische Programm „beidhändiger Überkopfpass“ setzt sich aus verschiedenen, weniger komplexen Unterprogrammen zusammen. Diese laufen mehr oder weniger automatisch ab und steuern funktional abgeschlossene Fertigkeitsteile (z. B. „Abklappen des Handgelenks“). Die einzelnen Subroutinen (Ul-U5) greifen auf tiefer liegende sequenzielle Unterbefehle zurück. Das Hochführen der Arme beinhaltet verschiedene Aktionen des Rumpfs, der Schulter, der Arme und der Hände.
Abb. 25: Hierarchisch-sequenzielle Organisation sportmotorischer Fertigkeiten am Beispiel des beidhändigen Überkopfpasses im Basketball
Vergleichbar mit der 1:1-Speicherung der Bewegung weist die hierarchisch-sequenzielle Bewegungsorganisation ebenfalls eine entscheidende Schwachstelle auf. Müssen komplexe Bewegungsfertigkeiten aus gespeicherten Bewegungsmustern oder isolierten motorischen Sequenzen zusammengesetzt werden, erhöht ein derartiger Vorgang mit ansteigender Bewegungskomplexität die zentralnervöse Verarbeitungszeit.
Motorische Rahmenprogramme
Als Reaktion auf das 1:1-Speicherproblem des menschlichen Hirns und das sich aus der hierarchisch-sequenziellen Bewegungsorganisation ergebende Problem der überaus langen Programmierungszeiten rücken moderne Koordinationstheorien von der Vorstellung klassischer Programmkonzepte ab, nach der für jede spezifische Bewegung und deren Variationen ein eigenständiges motorisches Programm besteht oder neu aufgebaut werden muss. Obwohl die Nervenvernetzungen nachweislich komplexer Art sind und keine eindeutigen Kenntnisse darüber bestehen, wie hoch die absolute Speicherkapazität tatsächlich anzusetzen ist, wird auf Grund der nahezu unendlichen Anzahl motorischer Bewegungsformen und der an prinzipielle Endlichkeitsgrenzen stoßenden zentralen Speicherstrukturen von einem ökonomischeren neuronalen Speicherprinzip ausgegangen.
In Analogie zu modernen Softwareprogrammen beinhalten motorische Programme nicht alle Details einer speziellen motorischen Fertigkeit, sondern nur einige wenige generelle Verallgemeinerungen, so genannte unveränderbare Programminhalte (syn. Programminvarianten). Ihre Anpassung an die jeweils vorherrschenden Umweltbedingungen erfolgt durch variable, austauschbare Programmparameter. Das bekannteste Konzept der Programm- und Parametertrennung stellt die in Lektion 6 thematisierte Theorie generalisierter motorischer Programme von S CHMIDT (1975, 1976, 1988) dar.
5.3 Wie arbeiten zentralnervöse Bewegungsprogramme und sensorische Mechanismen zusammen?
Die auf K EELE (1982) zurückgehende Monitoring-Hypothese beschreibt das Zusammenspiel von zentral repräsentierten Bewegungsprogrammen (Open-Loop-Kontrolle) und sensorischen Rückinformationen. Hiernach werden Bewegungen durch motorische Programme gestartet. Die Überwachung der Programmausführung erfolgt auf der Grundlage von Afferenz- und Reafferenzinformationen an das Zentralnervensystem. Entdeckt das Überwachungssystem bedeutsame Fehler in der Programmausführung, erfolgen entsprechende Bewegungskorrekturen, wenn die Bewegungszeit dies zulässt.
S CHMIDT (1988) und R OTH (1989) unterscheiden zwei Hauptformen der Ablaufkontrolle motorischer Programme: die Überwachung der fehlerfreien Ausführung des vorab festgelegten Bewegungsprogramms (response execution) und die Überwachung der Auswahl des motorischen Programms (response selection).
Die erste Hauptform der Ablaufkontrolle motorischer Programme – die Überwachung der fehlerfreien Ausführung des vorab festgelegten Bewegungsprogramms – differenziert zwei Arten der Ausführungskorrekturen, bei denen das Bewegungsprogramm vollständig erhalten bleibt. Bei der ersten Art, den Korrekturen geringer, nicht vorhersehbarer Störungen in der Umsetzung des Bewegungsprogramms – wie die Kompensation kleiner Unebenheiten des Geländes beim Gehen, Laufen,
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