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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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[...]. Unter einer Reaktion verstehen wir alles, was das Lebewesen tut.“

    Abb. 27: „Black Box“-Modell psychologischer Reiz-Reaktionstheorien
    Das nicht direkt beobachtbare Innenleben der „Lernmaschine Mensch“ – wie das Bewusstsein, die Erlebnisse, die Motivationsprozesse und die motorischen Kontrollmechanismen – klammern Behavioristen nahezu vollständig aus. Die Funktionsweise und die Gesetzmäßigkeiten des Innenlebens des Menschen – die Black Box – wird naturwissenschaftlich allein aus dem Input und die hierdurch ausgelösten quantitativen Verhaltensmerkmale (Output) erschlossen. Als Grundbausteine des Bewegungsverhaltens gelten angeborene motorische Reflexe (Überblick: S PADA , E RNST & K ETTERER , 1992; L EFRANÇOIS , 1994).
    Die nachfolgenden Abschnitte skizzieren zunächst die Annahmen der kontiguitäts-(klassische Konditionierung: P AWLOW , 1927) und verstärkungstheoretischen Position (instrumentelle Konditionierung: T HORNDIKE , 1913; operante Konditionierung: S KINNER , 1953). Anschließend wird am Beispiel der Theorie des Lernens am Modell von B ANDURA (1976, 1986) die sozialkognitive Sichtweise erläutert.
Kontiguitätstheoretische Position
    Der kontiguitätstheoretischen Position wird die klassische Konditionierung – Lernen durch bedingte Reflexe – zugeordnet. Diese Lernperspektive stellt eine frühe Form der experimentellen Erforschung elementarer kognitiver und motorischer Lernprozesse dar. Bekannt wurde das lerntheoretische Grundprinzip „Auslösung eines Reflexes durch einen anderen als den natürlichen Reiz“ durch den russischen Physiologen Iwan Petrowitsch P AWLOW . Seine Studien zur chemischen Zusammensetzung der Verdauungssäfte von Hunden wurden im Jahre 1904 nicht nur mit dem Nobelpreis belohnt, sie führten auch zu der bahnbrechenden Entdeckung der Lernpsychologie, dass in der angeborenen Reiz-Reaktionsverbindung „Futter und Speichelfluss“ der unbedingte Reiz (Futter) durch einen bedingten Reiz (syn. neutralen, konditionierten Reiz), beispielsweise einen Glockenton oder Lichtreiz, ersetzt werden kann.
    Abbildung 28 zeigt den typischen Versuchsaufbau zur klassischen Konditionierung, mit dem P AWLOW (1927) nachweist, dass seine Versuchshunde beim bloßen Riechen der Nahrung speicheln (unbedingte Reaktion). Ertönt bei der Futtergabe ein Glockenton, löst nach einigen Paarungen von Futter und Glockenton allein der Klang der Glocke (konditionierter Reiz) die Speichelsekretion aus (konditionierte Reaktion). Vergleichbare Verhaltensphänomene zeigen auch Menschen. Beispielsweise aktiviert bereits die gedankliche Vorstellung einer wohlschmeckenden Speise (z. B. Lesen der Speisekarte) die Speicheldrüsen.

    Abb. 28: Versuchsaufbau zur klassischen Konditionierung (mod. nach S PADA ET AL ., 1992, S. 328)
    Ein einfaches Experiment zur klassischen Konditionierung des Lidschlussreflexes zeigt auf, wie beim Menschen aus einer unbedingten Reaktion eine konditionierte Reaktion entsteht. Der Lidschlussreflex kann mittels eines durch einen Strohhalm geleiteten kurzen Luftstoßes auf das Auge experimentell ausgelöst werden. Erfolgt in enger zeitlicher Nachbarschaft mit dem reflexauslösenden Luftstoß (nach 0.1-0.5 s) ein kurzer Pfeifton, reagiert die Versuchsperson nach etwa 20-maliger Kopplung von Luftstoß und Pfeifton allein auf den Pfeifton (konditionierter Reiz) mit dem Lidschlussreflex (konditionierte Reaktion; Lerngesetz der Reizwiederholung ).
    Die konditionierte Reaktion tritt nicht nur beim ursprünglichen konditionierten Pfeifton auf, sondern auch bei ähnlichen Pfeif- oder Summtönen ( Lerngesetz der Reizgeneralisierung ). Der Organismus kann aber auch lernen, auf zwei ähnliche Reize unterschiedlich zu reagieren ( Lerngesetz der Reizdiskrimination ). Wird nach dem Erwerb der konditionierten Reaktion der Pfeifton mehrmals ohne erneute Kopplung mit dem durch den Strohhalm geleiteten Luftstoß gegeben, antwortet das Augenlid immer seltener auf den Pfeifton. Die konditionierte Reaktion verblasst allmählich ( Lerngesetz der Reizextinktion ). Tritt der Pfeifton nach einiger Zeit wieder in zeitlichräumlicher Nähe mit dem Luftstoß auf, braucht es deutlich weniger Übungszeit bis zur vollen Ausprägung der Verknüpfung des konditionierten Reizes (Pfeifton) und der konditionierten Reaktion (Lidschlussreflex; Lerngesetz der Spontanerholung ).
    Die klassische Konditionierung erscheint auf den ersten Blick für das Bewegungslernen im Sport sehr speziell, da P AWLOW

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