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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hätten zwar im Saal zuhören können, doch wollten sie weiterhin Gerds Bitte respektieren, dies nicht zu tun. Im Bad besah sich Monika im Spiegel. Mit Sorge verfolgte sie, wie sich um die Augen herum neue Falten bildeten und ihre langen schwarzen Haare widerspenstig, vor allem aber grau wurden. Es schien ihr, als sei sie in den vergangenen fünf Monaten um Jahre gealtert. Sie spürte, wie ihre Kräfte schwanden. Während sie weiter durch die Wohnung ging, die sie mit so viel Liebe zum Detail eingerichtet hatte, mit dekorativem Ambiente, musste sie gegen die Tränen ankämpfen. Wenn sie Gerd verurteilten, lebenslang einsperrten, dann würden hier eines Tages andere Menschen wohnen, sich neu einrichten und wegwerfen, was sie zusammengetragen hatte. Ohne Gerd würde sie hier nicht wohnen wollen. Keinen Tag, keine Minute. Was hieß da ohne Gerd? Sie erschrak über den Gedanken. Wie konnte sie nur versuchen, sich mit etwas abzufinden, was niemals, gar nie, eintreffen durfte. Gerd war unschuldig – und daran bestand für sie nicht der geringste Zweifel.
    Sie sah an der Garderobe seine beiden Jacken hängen. Eine davon hatte er noch vor der Festnahme getragen. Einen Moment überlegte sie, ob sie die noch vitalen Pflanzen gießen sollte, entschied dann aber, es nicht zu tun. Was hatte dies denn alles noch für einen Sinn?, zweifelte etwas in ihr. Sofort meldete sich eine andere Stimme, die ihr sagte, dass sie auf das Haus aufpassen musste, damit es Gerd schön und gemütlich haben würde, wenn er aus Ulm zurückkam.
    Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil. Sie hörte diese Formulierung, wie sie Manuel einmal erwähnt hatte – auch wenn sie die Ohren zudrückte und die flachen Hände dagegen presste. Sie hatte Angst vor Mittwoch, Angst vor dem Anruf Manuels, wenn er ihr sagen würde, dass …
    Oder vielleicht würde Gerd selbst anrufen, ihr sagen, dass er frei sei, dass sie sofort wegfahren würden.
    Sie sah im Keller nach der Heizung, prüfte die Außentür und die Lichtschächte und stieg anschließend auch ins Dachgeschoss hinauf, um ein paar Minuten zu lüften. Erst als sie ins Erdgeschoss zurückkam, sah sie den Anrufbeantworter blinken. Offenbar waren sehr viele Gespräche gespeichert worden.
    Sie drückte die Abfragetaste und ließ sich nacheinander, von Piepstönen und der Ansage von Anrufdatum und -zeit getrennt, die aufgezeichneten Meldungen vorspielen. Vielfach war nur wortlos aufgelegt worden, doch einige Freunde erklärten, dass sie ihr und Gerd alles Gute wünschten. Andere baten um einen Rückruf und nannten ihre Nummern, die Monika aber nicht aufschrieb. Sie begann bereits wieder die Fenster zu schließen und lauschte nur mit einem halben Ohr auf die Wiedergabe, von der sie keine wichtigen Botschaften erwartete. Als dann aber eine unbekannte schrille Frauenstimme den kleinen Lautsprecher des Geräts zum Vibrieren brachte, hielt sie im Schlafzimmer, wo sie gerade war, inne.
    »Frau Ketschmar, wenn Sie das hier hören, dann passen Sie auf«, schallte es ihr entgegen. Monika war mit vier, fünf Schritten im Flur, »Ihr Mann sollte sehr genau an den Container denken. Sehr genau. Ich hoffe, Sie haben mich verstanden und können dies Ihrem Mann noch vor der Verhandlung ausrichten.« Klick. Aus. Monika stand wie elektrisiert vor dem Gerät, das bereits die nächste Aufzeichnung abzuspielen begann. Es war eine Freundin aus Heidelberg.
    Monika hatte sich schnell wieder gefasst, öffnete die Schublade der Kommode, brachte Kugelschreiber und Notizblock hervor und drückte die Wiederholungstaste. Sofort wurde die begonnene Wiedergabe beendet und die vorherige Aufzeichnung erneut vorgespielt. Die stereotype Computerstimme ertönte: »Dieser Anruf erreichte Sie am 24. März um einundzwanzig Uhr siebzehn.« Und wieder diese Stimme. Monika schrieb eilig mit. »Ihr Mann sollte sehr genau an den Container denken.« Das würde wohl der Kernsatz sein. Was immer dies zu bedeuten hatte. Erst jetzt war Monika der osteuropäische Akzent aufgefallen. Deshalb ließ sie sich das Gespräch noch ein drittes Mal vorspielen. Tatsächlich. Die anonyme Anruferin schien eine Ausländerin zu sein.
     
    Wenn es Frühling wurde, dann war dieses idyllische Tal ein kleines Paradies, dachte Häberle, als er zusammen mit Linkohr an diesem Samstagnachmittag die Sträßchen und Feldwege abfuhr. Er wollte sich endlich einmal ein genaues Bild von dieser Landschaft machen. Ihm war bewusst geworden, dass sie sich bisher nur auf drei Gehöfte

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