Beweislast
seien. Doch wie man sich diese vorzustellen habe, konnte der angesprochene Abteilungsleiter nicht sagen. Dazu gebe es keinerlei Aufzeichnungen.
Linkohr war es schließlich gelungen, jene Tante ausfindig zu machen, die offenbar Ulrich Blüchers Nachlass übernommen hatte. Sie wohnte in Soltau und gab bereitwillig Auskunft. Sie habe den kleinen Haushalt ihres Neffen aufgelöst und einige Geräte, darunter seinen Computer, mitgenommen, um ihn per Zeitungsanzeige zu verkaufen. An den Namen des Käufers konnte sie sich nicht mehr entsinnen. Damit war die Hoffnung zerronnen, möglicherweise auf der Festplatte noch Daten ausfindig machen zu können, die auch auf seine berufliche Tätigkeit Rückschlüsse zugelassen hätten.
»Vergiss es«, kommentierte Häberle resigniert und sah in die Gesichter seiner beiden Kollegen Linkohr und Speckinger. Ihre Laune war auf den Nullpunkt gesunken, zumal es noch immer keine Spur von Eugen Blücher gab, obwohl die Lokalzeitungen im näheren Umkreis ein Fahndungsfoto veröffentlicht hatten.
»Der muss noch in dem Tal sein«, konstatierte Speckinger, »was wird denn der schon ohne Arbeitsanzug ein neues Leben angefangen haben?« Der Kriminalist lachte laut auf, als habe er sich selbst einen Witz erzählt. »Der alte Blücher verschwindet doch nicht in der Unterhose!«
»Natürlich ist er tot«, meinte Häberle, »die Frage ist nur, wo man seine Leiche versteckt hat.«
»Wobei ja auch die Möglichkeit besteht, dass man ihn abtransportiert hat«, gab Linkohr zu bedenken, »entsprechende Transportmittel haben die Bauern zur Genüge.«
Speckinger zuckte mit den Schultern: »Und Verstecke auch – Scheunen, Ställe, Güllegruben, Misthaufen, Kohlen- und Kartoffelkeller, Heustöcke und was weiß der Teufel noch alles.«
»Die Jungs von der Bereitschaftspolizei haben überall reingeschaut«, entgegnete Häberle, wohl wissend aber, dass dies nur flüchtige Blicke sein konnten.
»Keine Chance«, bremste ihn Speckinger deshalb, »wenn wir da hinten alles auf den Kopf stellen wollen, brauchen wir Monate. Ich schätz mal, dass es insgesamt zwei Dutzend Hofstellen gibt. Wer sagt uns denn, dass der alte Blücher nicht noch weitere Kriegsschauplätze gehabt hat?«
Häberle wandte sich an Linkohr: »Sie haben gelesen, was die Bereitschaftspolizei festgestellt hat …?«
Der junge Kriminalist, den seit einigen Wochen die Sorge plagte, seine Freundin Juliane könnte sich an den Wochenenden anderweitig orientieren, hatte einige Seiten des Protokolls ausgedruckt und sie vor sich liegen. »Kollege Speckinger hat natürlich recht«, stellte er fest, »die Gehöfte seien äußerst schwierig zu durchsuchen, schreibt die Einsatzleitung. Die Bauweise ähnele sich überall: U-förmige Hofstelle – mit Stallungen, Scheunen und Wohnhaus. Meist gibt es mehrere Eingänge, viele davon vermutlich gar nicht verschlossen. Einige Schlösser seien defekt oder nur notdürftig angebracht. Oftmals könne man ungehindert in die Keller hinabsteigen, die jedoch nur noch in Einzelfällen genutzt würden. Manche Türen seien so morsch, dass sie beinahe auseinander fielen, andere sähen so aus, als habe man sie mal aufgebrochen«, fasste Linkohr zusammen. »Konkrete Spuren auf einen Einbruch oder gar auf ein Gewaltverbrechen hätten sich nirgendwo gefunden.«
»Und doch ist da draußen etwas faul«, zeigte sich Häberle überzeugt. »Ich weiß nur noch nicht, was.«
Linkohr schob seine Papiere wieder zusammen und meinte eher beiläufig: »Vielleicht haben wir etwas übersehen – etwas, das nichts mit dem Bauernkrieg und auch nichts mit der Landwirtschaft zu tun hat.«
Häberle hatte plötzlich eine Idee.
Monika Ketschmar war nach zwei Wochen einmal wieder nach Donzdorf gefahren, um im Haus nach dem Rechten zu sehen. Als sie die Tür öffnete, schlug ihr eine Kälte entgegen, die all die wunderschöne Zeit vergessen ließ, die sie hier erlebt hatten. Einige Zimmerpflanzen hingen welk oder verdorrt in ihren Töpfen. Unterm Briefschlitz stapelten sich Zeitungen und Postsendungen, die auf den gefliesten Boden des Flurs gefallen waren. Monika ignorierte diese Unordnung, ging in die Zimmer und öffnete Fenster, um die abgestandene Luft hinaus und frische hereinzulassen.
Wieder einmal hätte sie nicht sagen können, wie sie von Ulm hergefahren war. Ihre Gedanken drehten sich nur um Gerd und wie er wohl leiden würde. Seit am Mittwoch der Prozess begonnen hatte, war alles noch viel schlimmer geworden. Sie und Chrissi
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