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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Psychiatrie. Und das war noch schlimmer, als in ein Gefängnis gesperrt zu werden, wo man ihn wenigstens für normal hielt. Obwohl er dort ebenfalls so gut wie entrechtet war. Ohne Freiheit war alles nichts.
    »Fragen zum Gutachten?« Wieder holte ihn die Stimme des Vorsitzenden aus den Albträumen zurück. Keine Fragen. Klar, der Osterurlaub rief. Auch Manuel zog es vor, nicht tiefer in die Psychiatrie einzusteigen. Es machte keinen Sinn.
    »Dann ist der Sachverständige mit Dank entlassen«, erklärte Muckenhans, um sofort weiterzumachen: »Damit beende ich die Beweisaufnahme und erteile dem Herrn Staatsanwalt das Wort.«
    Jetzt wurde es ernst, dachte Ketschmar und spürte, wie sein Pulsschlag sich beschleunigte. Der Staatsanwalt erhob sich, nahm seine Unterlagen in die Hand und machte eine finstere Miene, was ihm mit seinem graumelierten Bart nicht sonderlich schwer fiel. »Hohes Gericht«, begann er, »wir stehen am Ende einer umfangreichen Beweisaufnahme und einiger Nachermittlungen, mit denen wir den vorliegenden Fall mit all seinen Facetten dargestellt bekommen haben. Um es gleich vorweg zu nehmen: Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat sich nichts ergeben, das zu einer anderen Betrachtungsweise als zu jener in der Anklageschrift genannten, führen könnte.«
    Das wars wohl. Ketschmar schloss die Augen. Warum sprang er nicht einfach auf und hieß diesen Kerl einen verdammten Drecksack? Wann sonst, wenn nicht jetzt sollte er sich wehren? Nur jetzt hatte er noch die Chance. Später nicht mehr. Im Gefängnis würde ihn keiner mehr hören. Hier und jetzt hatte er die allerletzte Chance, sich Gehör zu verschaffen. Vor den Zuhörern, der Presse – vor der Öffentlichkeit.
    »Wir haben es hier mit einem uneinsichtigen Angeklagten zu tun«, es war die Stimme des Staatsanwalts. Mit welchem Recht durfte er solche Behauptungen in den Raum stellen? Hatte dieser Mensch kein Gewissen? Reichten ihm seine Akten aus, ein Leben zu zerstören?
    »Anstatt Reue zu zeigen, wird versucht, eine Geschichte zu konstruieren, bei der irgendwelche dubiosen Schwarzarbeiterkolonnen aus dem finstren Osten eine Rolle spielen sollen – wie auch immer …« Ketschmar wollte diese fein säuberlich mit ironischen Bemerkungen gespickte Rede überhaupt nicht hören. Warum sprang er, verdammt noch mal, nicht nach vorne? Okay, die Wachtmeister würden ihn zu Boden werfen, in Handschellen und Ketten legen – und der Richter würde ihn womöglich vom weiteren Verlauf ausschließen, falls dies überhaupt möglich war. Manuel spürte offenbar die innere Unruhe seines Schwiegervaters und legte ihm die Hand auf den linken Unterarm, was bedeutete, er solle sich zurückhalten. Ketschmar kämpfte mit sich. Würde Manuel überhaupt noch etwas ausrichten? Doch nicht gegen das Geklüngel der Juristen, die untereinander doch längst das Urteil abgesprochen hatten. Draußen auf dem Flur oder drüben in der Platzgasse in dem Bistro, wo auch Manuel schon mal mit ihnen zusammengesessen war, wie er einmal berichtet hatte.
    »Selbst wenn es da irgendwo Schwarzarbeit gegeben hat«, hörte er die Stimme des Staatsanwalts wieder, »dann stellt sich doch die Frage, was das mit unserem Fall zu tun hat. Die Antwort kann nur lauten: Nichts. Genauso wenig hat auch dieser sogenannte Bauernkrieg etwas damit zu tun. Das sind alles separate, periphere Geschehnisse, die vonseiten der Verteidigung krampfhaft und wider besseres Wissen angeführt werden, um vom eigentlichen Tatgeschehen abzulenken. Und das stellt sich ganz einfach dar.«
    Unglaublich. Es war nicht auszuhalten. Und alle hörten ruhig und gespannt zu. Ketschmar war jetzt nah daran, aufzuspringen. Seine Hände waren eiskalt und feucht. Er zitterte. Die Hand seines Schwiegersohns griff fester zu. Ketschmar kämpfte immer heftiger mit sich. Was würde es schon ausmachen, wenn er jetzt einen Eklat auslöste? Schrie, tobte, die Justiz beschimpfte. Lebenslänglich ist lebenslänglich. Sollten sie ihn doch mit einer Ordnungsstrafe belegen. Was machte dies schon aus! Weggesperrt ist weggesperrt. Meinetwegen in eine dieser berüchtigten Zellen, von denen er drüben in der U-Haft gehört hatte. Tobsüchtige sollten dort zur Besinnung kommen. So gut wie nackt, nur mit einem kurzen, weißen Überzieher bekleidet. Das war ihm egal.
    Er musste etwas unternehmen. Jetzt oder nie. Einer der beiden Wachtmeister gähnte, der andere lümmelte ermattet und apathisch auf dem Sitz neben der Eingangstür. Ketschmar holte tief Luft, um die

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