Beweislast
bereits eingeräumt habe, von einem gewissen Verdacht der Schwarzarbeit bei Pottstett-Bau gewusst zu haben. Im Übrigen handle es sich um einen Nebenkriegsschauplatz, der mit dem eigentlichen Tatgeschehen nichts zu tun habe.
Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. »Da kommen sie nicht dran vorbei«, beruhigte Manuel seinen Schwiegervater. »Das wäre glattweg ein Revisionsgrund.«
Die Richter brauchten länger als erwartet. Erst nach fast einer halben Stunde erschienen sie wieder. Große Enttäuschung. Antrag abgelehnt. Ketschmar sank in sich zusammen. So würde es auch beim Urteil sein, dachte er. Sie glaubten ihm nicht. Sie gaben ihm keine Chance.
Der Vorsitzende erklärte sachlich und emotionslos, man könne es sogar als wahr unterstellen, dass Eckerts Lebensgefährtin die Anruferin gewesen sei. Dies möge zwar die Glaubwürdigkeit Eckerts erschüttern, doch habe dieser, falls er in Schwarzarbeit verwickelt sei, eben ein persönliches Interesse, sich selbst zu schützen. Möglich, dass ihm dies eine Anklage wegen Meineids einbringe – aber auf die Vorwürfe, die gegen Ketschmar erhoben würden, habe dies keinerlei Einfluss. Eckert sei im Laufe des Verfahrens ausgiebig überprüft worden – und sogar seine DNA habe die Kriminalpolizei mit taktischen Mitteln erlangt und untersuchen lassen.
Die wollen in den Osterurlaub, dachte Manuel. Bloß nichts, was den Prozess verzögern und ihren Terminplan durcheinander bringen würde. Er strich seinem Schwiegervater über den Unterarm und nickte ihm ermunternd zu. Dabei war es eine Niederlage auf der ganzen Linie. Doch er durfte sich jetzt nicht ablenken lassen. Manuel sah auf seine Notizen und griff das nächste Thema auf. Den roten Lacksplitter, der irgendwo durch die Akten geisterte. »Warum wurde dem nie Bedeutung beigemessen?«, fragte er Häberle, der noch immer am Zeugentisch saß. Manuel war bemüht, den Kriminalisten nicht allzu sehr zu attackieren, schließlich hatten sie in den letzten Tagen sehr angenehmen Kontakt gehabt.
»Es war wohl so«, antwortete der Kommissar, den die Ablehnung des Antrags ebenfalls überrascht hatte, »dass sowohl nach unserer Überzeugung als auch nach Auffassung der Staatsanwaltschaft so viele Indizien gegen Herrn Ketschmar gesprochen haben, insbesondere nach dem Ergebnis der DNA, dass weitere umfangreiche Analysen nicht mehr notwendig erschienen sind.«
»Man war sich also sicher, den Richtigen geschnappt zu haben«, stellte Manuel fest und wurde vom Staatsanwalt unwirsch unterbrochen: »Sie können natürlich endlos ermitteln, Herr Verteidiger, und damit den Polizeiapparat lahm legen. Nehmen Sie doch endlich zur Kenntnis, dass wir ein hieb- und stichfestes DNA-Gutachten haben und es noch eine Vielzahl von Mosaiksteinchen gibt, die dies alles bestätigen.«
»Bitte, Herr Staatsanwalt«, ging Muckenhans ruhig dazwischen, »solche Bewertungen sind Bestandteil des Plädoyers. Das Wort hat der Herr Verteidiger.«
»Jetzt frage ich Sie«, machte Manuel weiter und sah den Kommissar fest an, »sind Sie auch heute noch so sicher wie damals, dass Sie den Richtigen geschnappt haben?«
»Wir haben auf Anweisung des Gerichts einige Nachermittlungen angestellt – auch im Hinblick auf den Vermisstenfall. Sagen wir mal so – manches gibt zu denken, keine Frage. Aber letztlich hat das Gericht die eine oder andere Merkwürdigkeit zu bewerten.« Was hätte er auch sonst sagen sollen?, dachte er sich anschließend. Er hatte nichts wirklich Konkretes, mit dem er dem Staatsanwalt in die Quere hätte kommen können. Nicht, dass er Angst davor hätte, dazu war Häberle viel zu schlau und selbstbewusst. Nein, aber vor Gericht zählten Fakten und Beweise, nicht Vermutungen. Aber noch war nicht aller Tage Abend.
»Merkwürdigkeit«, griff Manuel den Ball auf, »in der Tat, es gibt Merkwürdigkeiten. Und Herr Häberle äußert sich vornehm zurückhaltend. Ich finde, man würde es sich zu leicht machen, nur das DNA-Gutachten in den Mittelpunkt zu stellen. Mein Mandant erklärt überzeugend, dass er das spätere Mordopfer angespuckt hat.«
Muckenhans unterbrach. »Auch diese Bewertung ist Sache des Plädoyers. Sonst noch Fragen? – Keine. Dann bleibt der Zeuge nach neunundfünfzig unbeeidigt.«
Ketschmar sah seinen Schwiegersohn verzweifelt an. Und jetzt? Hatte er endgültig verloren? Er rannte hier doch gegen eine Wand. Gegen Gitterstäbe.
67
»Die sind gnadenlos«, stellte Häberle an diesem Dienstagvormittag fest, als er mit Linkohr
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