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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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er schlechte Laune hatte. Er bewegte sich nicht, aber sie spürte, dass ein Gewitter in der Luft lag.
    Als sie noch unschlüssig in der Tür stand und überlegte, was passiert sein könnte, drehte er sich langsam um und sah sie mit einem eigentümlichen Blick an, den sie noch nie an ihm gesehen hatte und nicht verstand.
    »Ciao, amore«, sagte sie unsicher, aber Vasco antwortete nicht.
    »Hast du schon was gegessen?«
    Vasco schaltete den Fernseher lauter und drehte sich zu ihr um.
    Paola wurde übel vor Angst, denn wenn Vasco ungerührt weiter fernsah, während sie ihn etwas fragte, war er gelassen. Drehte er den Ton weg, war er gnädig gestimmt und bereit, ihr zuzuhören. Schaltete er den Apparat lauter, standen die Zeichen auf Sturm.
    Im März hatte er sie schon einmal halb totgeschlagen, und sie war zu ihrer Tante nach Radda geflüchtet und hatte sich geschworen, nie wieder zu ihm zurückzukehren – aber als er dann drei Tage später weinend und um Vergebung bettelnd vor der Tür ihrer Tante stand, war sie schwach geworden und hatte es doch getan.
    Sie überlegte, ob sie gleich jetzt aus dem Haus rennen sollte, aber dann kam sie sich albern vor. Hysterisch. Wahrscheinlich waren ihre Nerven einfach nur überreizt, schließlich war nichts passiert, er hatte nur komisch geguckt und noch nicht ein einziges Wort gesagt.
    »Soll ich uns was kochen?«, fragte sie erneut und versuchte, so locker und unbelastet wie möglich zu klingen.
    »Nein.« Seine Antwort schmerzte wie eine Ohrfeige.
    Er stand auf und kam langsam auf sie zu.
    Sie wich zurück und hielt bereits ihren Arm schützend vors Gesicht.
    »Was ist denn? Was hast du denn?«
    »Was ich habe? Ich habe die Schnauze voll. Gestrichen voll.«
    Von Paola kam nur ein hilfloses Quieken.
    »Ich hab’s satt! Mir steht’s bis hier!« Er zeigte mit der Hand auf einen Punkt oberhalb seines Scheitels. »Ich mach das nicht mehr mit!«
    »Was denn?«, hauchte sie und fragte sich unterdessen, wie er ihre Affäre mit Karl herausbekommen hatte.
    »Dass du nie mehr zu Hause bist! Das stinkt mir. Wann sehen wir uns denn noch hier? Wann denn? Ich kann mich nicht erinnern. Immer heißt es nur: ›Ich muss ins Castelletto‹, ›Ich muss heute länger bleiben‹, ›Christine ist krank‹ oder ›Stella ist krank‹ … Ja, was haben die denn andauernd? Unsereins kann sich nicht leisten, alle naselang krank zu sein. Dann bleibst du länger, mal, weil das Castelletto krachend voll ist, mal, weil die Gäste eine Feier haben, oder du schläfst sogar da, wenn Karl und Christine am Abend weggehen. Wie es mir geht, interessiert dich nicht. Weil du mich gar nicht mehr siehst! Weil wir uns noch nicht mal mehr zu Hause treffen! Und das stinkt mir!«
    »Aber das stimmt doch so gar nicht«, protestierte Paola schwach.
    »Nein? Das stimmt nicht?« Jetzt wurde Vasco erst recht wütend. »Glaubst du, ich fantasiere? Ich bilde mir das alles nur ein? Dann bilde ich mir also ein, dass ich schon seit Wochen keine warme Mahlzeit mehr gegessen habe, weil du einfach nicht da bist und nichts mehr kochst. Dann bilde ich mir ein, dass du seit Wochen unsere Betten nicht mehr frisch bezogen hast. Dann bilde ich mir ein, dass ich nachts immer öfter allein einschlafen muss, weil du nicht da bist. Dann bilde ich mir das alles nur ein, ja?«
    »Nein.« Vasco hatte ja recht. Sie war in letzter Zeit wirklich kaum noch zu Hause gewesen.
    »Castelletto, Castelletto, Castelletto und Stella, Stella, Stella!«, schrie er. »Ich kann das alles nicht mehr hören! Damit ist jetzt Schluss, aus, Ende, vorbei. Du wirst da kündigen, und wir hauen hier ab. Gehen zurück nach Sizilien. Da sind die Leute herzlicher, menschlicher, direkter. Da fangen wir noch mal ganz von vorn an. Diese feinen Pinkel hier und diese Deutschen gehen mir auf den Sack!«
    Paola wurde schwindlig. Weg vom Castelletto? Weg von Stella? Und am allerschlimmsten: Weg von Karl? Das würde sie nicht aushalten. Nicht jetzt, wo sie schon so nahe dran war. Irgendwann würde Karl sich von Christine trennen, da war sie sich ganz sicher.
    »Hast du den Verstand verloren?«, kreischte sie in ihrer Panik. »Wir können doch nicht beide unsere Jobs aufgeben! Glaubst du, die warten auf uns in Sizilien und rollen uns da den roten Teppich aus? Bist du völlig verrückt geworden?«
    »Siehst du! Das mein ich. Ich habe schon seit einer Woche keinen Job mehr, aber das hast du gar nicht gemerkt! Weil die Gnädigste in Wirklichkeit und in Gedanken nur noch in ihrem

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