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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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wirklich toll. Alle Achtung!«
    »Tja. Mir gefällt’s auch.«
    »Dann hast du jetzt Urlaub?«
    »So ist es.«
    »Und bei welchem Theater bist du, wenn man fragen darf?«
    »Beim Berliner Ensemble.«
    Christine und Karl schwiegen ehrfürchtig. Aus dem Jungen war wirklich etwas geworden. Und das auch ohne ihre Hilfe.
    Dennoch verspürte Karl bei der ganzen Geschichte ein Unbehagen. Er glaubte Raffael nicht ganz. Irgendetwas stimmte nicht, denn mit sechsundzwanzig war man nicht technischer Leiter am Berliner Ensemble. Er war ein junger Spund, vielleicht mit einer guten Ausbildung, aber aufgrund seines Alters einfach noch ohne Erfahrung. Da waren andere vor ihm am Drücker.
    »Was hast du denn für eine Ausbildung gemacht, um so schnell zu so einem großartigen Job zu kommen?«, fragte Christine harmlos, aber das war schon zu viel.
    Raffael flippte aus.
    »Später!«, schrie er. »Habt ihr es nicht gehört oder verstanden, ich hab gesagt, ich erzähle euch alles sp-ä-ter! Rede ich chinesisch oder wie? Was soll der verfluchte Scheißdreck? Ich komme euch nach Jahren besuchen, und ihr habt nichts Besseres zu tun, als mich auszufragen und herumzubohren. Das ist ja schlimmer als ein Verhör, verdammte Kacke!«
    Er war aufgesprungen, zündete sich eine Zigarette an und rannte im Hof hin und her.
    Seinen Kaffee hatte er noch gar nicht probiert.
    »Was hat er denn?«, fragte Stella verstört.
    Niemand antwortete ihr.
    »Vorsichtig«, flüsterte Karl, »wir müssen ganz vorsichtig sein. Jede Winzigkeit bringt ihn auf die Palme und zur Explosion.«
    »Aber ich hab doch gar nichts …«, stotterte Christine.
    »Sei einfach still und stell ihm keine Fragen mehr«, zischte Karl. »Wenn er von selbst was erzählt, dann ist es gut, wenn nicht, dann eben nicht. Du kannst ihn nicht behandeln wie einen normalen Menschen, sonst haut er noch heute Nacht wieder ab.«
    Raffaels Gesicht glühte, als er zum Tisch zurückkam.
    Er schob den Teller zur Seite. »Ich kann morgens nichts essen.«
    »Ach so, entschuldige, das wussten wir nicht.«
    Wenig später brachte Maria vier gekochte Eier und stellte sie auf den Tisch.
    Raffael saß mit dem Rücken zur Kapelle und hatte den Torbogen und den mit Kopfsteinen gepflasterten Aufgang zum Hof im Blick.
    Daher sah er sie kommen.
    Er erschrak so, dass er seinen Kaffee verschüttete.
    Paola hatte ihren federnden Gang verloren, stakste wie ein Roboter und sah zum Fürchten aus.
    »Wer ist das denn?«, fragte Raffael, obwohl er es ganz genau wusste.
    Jetzt sahen auch Christine und Karl ihr zerschlagenes Gesicht.
    Karl sprang auf, lief ihr entgegen, legte den Arm um sie und führte sie zum Tisch.
    »Du lieber Himmel, Paola, was ist denn passiert?«
    »Vasco«, sagte sie nur, als könne sie mit dem zerschundenen Kiefer kaum sprechen. »Wir hatten einen schrecklichen Streit.«
    Raffael war entsetzt, er konnte kaum hinsehen. Er hatte noch nie eine so fürchterlich zugerichtete Frau gesehen. Dieser Vasco war ein Tier. Wenn er ihm jemals begegnen sollte, würde er ihm alle Zähne ausschlagen.
    »Warum siehst du denn so komisch aus?«, fragte Stella mit ängstlichem Gesichtsausdruck.
    Paola lächelte schief. »Ich bin die Treppe runtergefallen und hab mir wehgetan, cara.«
    »Möchtest du frühstücken?«, fragte Christine. »Einen Kaffee?«
    »Nein danke. Scusate, aber ich möchte nur in ein Bett. Es geht mir schlecht. Ist das möglich?«
    »Selbstverständlich. Appartement vier ist im Moment frei. Da kannst du dich erst einmal erholen.«
    Christine stand auf und stützte sie, als sie über den Hof zum Appartement gingen.
    Die Beziehungsprobleme zwischen Paola und Vasco interessierten Karl nicht sonderlich. Sie hatte ständig Streit mit ihm, und sie war selbst schuld, wenn sie ihn nicht verließ.
    Zwischen Vater und Sohn entstand ein unangenehmes Schweigen, da keiner der beiden wusste, was er sagen und wie er ein Gespräch in Gang bringen sollte.
    »Wie lange möchtest du bleiben?«, fragte Karl gerade, als Christine wiederkam.
    Raffael sah seinen Vater an. »Ich weiß noch nicht. So lange es mir Spaß macht. Lassen wir uns überraschen.«
    »Ja gut, aber wie lange hast du denn Urlaub?«
    Raffael winkte ab. »Lange. Bis September.«
    Karl nickte. »Prima. Aber jetzt bist du erst mal hier, da wollen wir nicht schon wieder an Abreise denken.«
    Allmählich erwachte das Castelletto. Immer mehr Gäste kamen aus ihren Appartements zum Frühstück, im Hof waren jetzt fast alle Tische besetzt, und Maria hastete von

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