Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
sich einander wieder angenähert hatten, hatte sie irritiert und verletzt. Wenn er gehen wollte, dann sollte er es sagen und sie nicht einfach ratlos zurücklassen.
    Er saß wieder nur da und sah übers Land.
    Christine blieb einen Moment stehen. Dann ging sie langsam die Treppe hinunter und trat von hinten an ihn heran.
    »Na?«, fragte sie. »Wieder aus der Versenkung aufgetaucht?« Sie wusste, dass dies keine besonders freundliche Begrüßung war, aber sie konnte es nicht ändern.
    »Wie du siehst«, bemerkte er knapp.
    In diesem Moment fragte sie sich, ob sie jemals wieder normal miteinander umgehen würden. Und ob Raffael überhaupt daran interessiert war.
    »Bleibst du zum Frühstück?«
    »Ja, schon. Warum nicht.«
    Die Fahne, die Raffael hatte, entging Christine nicht. Auch nicht, dass sein Gesicht gerötet war und seine Augen flackerten.
    In diesem Augenblick kam Karl mit Stella an der Hand aus dem Haus. Als er Raffael sah, stutzte er kurz, dann lächelte er und ging direkt auf ihn zu.
    »Hey, Raffael! Warum bist du denn gestern abgehauen?«
    Raffael zuckte gelangweilt die Achseln.
    »Umso mehr freue ich mich, dass du jetzt wieder da bist. Das ist übrigens deine Schwester Stella. Wir sind unglaublich glücklich, dass wir noch einmal ein kleines Mädchen bekommen haben. Auf den letzten Drücker sozusagen.« Er lachte und beugte sich zu Stella hinunter. »Stella, das ist dein großer Bruder Raffael. Er war lange verreist, darum kennst du ihn noch nicht, aber jetzt ist er hier zu Besuch. Ich bin sicher, ihr werdet euch verstehen.«
    »Hallo«, sagte Stella desinteressiert.
    »Hallo«, erwiderte Raffael leise.
    Damit war die Angelegenheit für Stella beendet, und sie zupfte an der Bluse ihrer Mutter herum.
    »Ich hab Durst!«, quengelte sie.
    »Gleich. Zehn Minuten wirst du es ja wohl noch aushalten.«
    Christine bemerkte, dass ihr Ton auf einmal auch Stella gegenüber gereizt klang.
    »Kommt, setzen wir uns.« Karl wirkte regelrecht gelöst.
    Sie setzten sich an einen der Tische, gleich neben dem Oleander, etwas entfernt von den Touristen, um ein wenig Ruhe zu haben.
    »Und? Wie läuft der Laden?«, fragte Raffael.
    »Gut bis sehr gut. Wir können nicht klagen. Das Castelletto entwickelt sich zum Selbstläufer, wir schalten überhaupt keine Anzeigen mehr, aber es scheint sich herumzusprechen. Das ist natürlich fantastisch.«
    Karl gab Maria, die heute Frühdienst hatte, sich um das Frühstück der Gäste kümmerte, das Mittagessen vorbereitete, Cecilia beim Putzen unterstützte und das eine oder andere erledigte, einen Wink, und sie schien zu wissen, was er wollte, denn sie deckte sofort den Tisch.
    Sie sahen sich an und schwiegen. Wussten nichts zu sagen. Die Sprachlosigkeit tat regelrecht weh.
    »Trinkst du zum Frühstück normalen Kaffee oder Cappuccino, Milchkaffee, Espresso … Was du willst, wir haben alles«, sagte Karl.
    »Scheißegal. Normalen Kaffee.«
    Stella kicherte. »Scheißegal«, wiederholte sie. »Super. Scheißegal.«
    Raffael grinste. Stella grinste auch.
    Weder Christine noch Karl sagten etwas dazu.
    Maria kam, blieb am Tisch stehen, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und sah Christine fragend an.
    »Alles wie immer«, sagte Christine schnell. »Das ist übrigens unser großer Sohn Raffael aus Deutschland. Er ist überraschend zu Besuch gekommen.«
    Maria versuchte ihn anzulächeln, aber Raffael sah gar nicht hin.
    »Für ihn bitte einen Caffè Americano. Am besten eine ganze Kanne.«
    Maria nickte und lief in die Küche.
    Raffael hatte Appetit auf Kräuterlikör, aber das war jetzt wohl etwas unpassend, deshalb hielt er seinen Mund.
    Diese ganze friedliche Familiensituation ging ihm ohnehin gehörig auf die Nerven.
    Nachdem Maria Kaffee, Brötchen, Marmelade und Aufschnitt gebracht hatte, fragte Karl: »Kannst du uns erzählen, wie es dir in all den Jahren ergangen ist?«
    »Später vielleicht. Nicht heute.«
    »Okay. Kein Problem.«
    Jeder für sich begann schweigend zu essen.
    Stella kaute an einem halben Brötchen mit Honig.
    »Wann kommt denn Paola?«, fragte sie.
    »Gleich.«
    »Was machst du denn so?«, wagte Karl erneut einen Vorstoß. »Ich meine, du hast doch sicher einen Beruf, einen Job, oder?«
    »Ich bin technischer Leiter an einem Berliner Theater.«
    »Was?« Christine fiel vor Überraschung fast der Löffel aus der Hand. »Das ist ja irre! Fantastisch! Wie hast du denn das geschafft? Denn in deinem Alter schon so weit zu sein und so eine Position zu haben, ist

Weitere Kostenlose Bücher