Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
Tisch zu Tisch.
    »Paola ist krank, und was machen wir jetzt?«, fragte Stella.
    »Wir fahren nach Arezzo. Heute Nachmittag wird hier eine goldene Hochzeit gefeiert, da muss ich noch ein paar Kleinigkeiten einkaufen.«
    Stella nickte befriedigt. Einkaufen war immer gut.
    »Möchtest du mitkommen?«, fragte Karl seinen Sohn, der gedankenverloren mit einem Springmesser herumspielte.
    »Nee. Ich bin nicht hergekommen, um im Supermarkt rumzurennen und Mayonnaise zu suchen«, sagte er.
    Schon wieder ein Vorwurf, dachte Karl, und langsam nervte es ihn.
    »Gut. Du musst dich ja auch erst einmal umsehen und einrichten. Komm mit in den Turm, ich zeige dir dein Zimmer.«

44
    Zur Feier des Tages war Oma sogar zum Friseur gegangen. Normalerweise schnitt ihr Gabriella alle drei Monate die Haare, aber das wollte Oma diesmal auf gar keinen Fall.
    »Ich will bei meiner goldenen Hochzeit ja nicht aussehen wie eine räudige Katze«, schnauzte sie, und Gabriella nahm ihr das übel.
    »Ach, dann hast du also die ganzen letzten Jahre, wenn ich dir die Haare geschnitten habe, immer ausgesehen wie eine räudige Katze?« Gabriellas Augen funkelten wütend. Oma war einfach undankbar und ungerecht.
    »Manchmal schon«, antwortete Oma gnadenlos, »aber hier im Haus ist es ja egal. Wer sieht mich denn schon? Neri vielleicht, und der schenkt mir so viel Beachtung wie einem hässlichen Sofakissen.«
    Gabriella wurde immer saurer. Was Oma sagte, war einfach eine Frechheit. Oma hatte ja keine Vorstellung davon, wie sehr Neri seine Schwiegermutter beachtete. Weil sie ihm nämlich ständig auf den Keks ging: indem sie dummes Zeug redete, ihm beim Abendessen die besten und größten Bissen wegfraß und indem sie immer wieder das leidige Thema Rom ins Spiel und Neri dadurch auf die Palme brachte. Und jetzt musste er auch noch diese eingebildete goldene Hochzeit finanzieren. Von Nichtbeachten konnte wirklich keine Rede sein.
    Aber Gabriella sagte nichts dazu, weil sie keine Lawine von Vorwürfen provozieren wollte, sondern zischte nur: »Bitte schön, dann geh doch zum Friseur! Aber vergiss nicht, dass es unser Geld ist, das du da zum Fenster hinauswirfst.«
    Oma grinste nur. »Du wirst dich wundern! Wahrscheinlich wirst du mich gar nicht wiedererkennen, wenn ich von Eva zurückkomme.«
    »Wahrscheinlich«, bestätigte Gabriella und hätte fast laut gelacht.
    Um halb elf verschwand Oma in Evas Frisiersalon, der sich nur drei Häuser weiter befand, und Gabriella hatte ein bisschen Zeit, die letzten Dinge zusammenzusuchen, die sie mit zum Castelletto nehmen musste.
    »Na, Gloria! Wie hättest du’s denn gern? Es soll ja heute etwas ganz Besonderes werden, da müssen wir uns was einfallen lassen.«
    »Moment mal«, sagte Oma und kramte eine herausgerissene Seite aus einer Illustrierten aus ihrer Handtasche. »Hier. So will ich aussehen.«
    Eva starrte auf das Foto. Lady Gaga mit wüster lila Mähne und Glitzer im Haar. Aber so leicht war Eva nicht aus der Fassung zu bringen, sie war schwierige Kundinnen gewöhnt.
    »Okay. Dann unterhalten wir uns doch zuerst einmal über die Farbe. Jetzt sind deine Haare grau. Wollen wir sie nicht in ein leuchtendes, glänzendes Weiß verwandeln?«
    »Nein. Ich will sie lila. Wie auf dem Foto.«
    »Es könnte auch ein wenig blau werden, Gloria.«
    »Meinetwegen auch blau. Mir egal. Hauptsache, sie schimmern in irgendeiner Farbe. Weiß ist ja keine Farbe.«
    »Warte mal«, sagte Eva, »ich hab da noch eine Idee.«
    Sie ging zum Tresen, auf dem ihre Kasse stand, zog aus dem Regal darunter eine Kiste hervor, die sie kurz durchwühlte, und fand sehr schnell, was sie suchte.
    »Wie findest du das?«, fragte sie Oma und zeigte ihr ein kleines, mit Strasssteinchen und falschen Brillanten besetztes Krönchen. »Was meinst du, wie das in deinen blauen Haaren funkeln würde!«
    Oma stieß spitze Jubelschreie aus und wäre Eva am liebsten um den Hals gefallen.
    Neri und Gabriella bringen mich um, wenn Oma mit ihrer Krone ankommt, dachte Eva, aber was soll man machen? Hauptsache, Gloria ist glücklich.
    Eva begann mit dem Färben von Omas Haaren. »Wie geht’s Emilio?«, fragte sie.
    Oma sah sie konsterniert an. »Aber meine Liebe, Emilio ist seit neun Jahren tot!« Sie schüttelte so entgeistert den Kopf, dass Eva einen Moment nicht weiterfärben konnte.
    »Aber ich dachte …«, stotterte Eva, »weil du doch deine goldene Hochzeit feierst!«
    »Warum sollte ich nicht meine goldene Hochzeit feiern?« Oma spitzte den Mund.

Weitere Kostenlose Bücher