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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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derartigen Sauertopf noch freundlich sein oder gute Laune versprühen?‹
    ›Egal, was du sagst, immer drehst du es so, dass du es mir vorwerfen kannst!‹, hab ich dann auch geschrien. ›Du bist hier der Heilige, oder was? Der Herr sollte sich mal an die eigene Nase fassen. Du bist derjenige, der nur noch brummig und mürrisch ist, du redest nur noch das Nötigste, du bist so harsch und widerlich in dem, was du sagst, und derart kurz angebunden, dass es schon verletzend ist. Könnte es nicht sein, dass mein missmutiges Gesicht eine Reaktion auf deine Saulaune und deine total ablehnende Haltung ist? Kann das nicht sein? Aber es ist ja typisch für dich, dass du mir immer vorwirfst, schlechte Laune zu haben, wenn du selbst welche hast. Das merkst du gar nicht mehr.‹
    ›Du kotzt mich an, weißt du das?‹, sagte er mir kalt ins Gesicht.
    ›Und du mich schon lange‹, erwiderte ich.
    Ich hab dann darauf gewartet, dass Karl aufstehen und aus dem Zimmer gehen würde, aber Raffael kam ihm zuvor. Er sprang auf und rannte nach oben. Gegessen hatte er kaum etwas.
    ›Das hast du nun davon!‹, brüllte Karl und schmiss seine Gabel auf den Teller, sodass die Soße über den Tisch spritzte und ekelhaft fettige Flecke auf der Decke hinterließ.
    ›Danke, gleichfalls‹, konterte ich. ›Ich hätte auch sagen können: ‚Das hast du nun davon.‘ Aber ich hab’s nicht getan, weil ich mir verletzende Sätze verkneife. Weil ich dem Streit aus dem Weg gehen will, weil ich sowieso alles runterschlucke und in mich reinfresse. Du machst mich ständig an, aber ich wehre mich nur ganz selten. Sonst würden hier nämlich jeden Tag die Fetzen fliegen.‹
    ›Ich wusste ja gar nicht, dass ich so eine duldsame Mutter Teresa geheiratet habe‹, spottete Karl.
    Dann haben wir geschwiegen. Karl aß unbeeindruckt weiter, mir war der Appetit vergangen. Ich hatte gerade mal zwei Bissen hinuntergewürgt.
    Karl nahm sich sogar noch einen Nachschlag, und ich hab mich gefragt, warum er das machte, wenn es ihm doch angeblich gar nicht schmeckte.
    Aber in diesem Moment war mir alles egal. Ich fühlte mich ganz merkwürdig. Aufgewühlt und todunglücklich und eiskalt und ruhig zugleich.
    Darum hab ich es auch gewagt und ihn ganz einfach gefragt: ›Sag mir die Wahrheit. Gibt es eine andere Frau?‹
    Karl riss die Augen weit auf, so überrascht war er. Mit dieser Frage hatte er überhaupt nicht gerechnet. Aber es dauerte nur ein oder zwei Sekunden, dann hatte er sich wieder im Griff.
    ›Ja‹, sagte er.
    Und in dem Moment stürzte wieder eine Welt über mir zusammen. Wie viele Welten gab es eigentlich noch, die zusammenstürzen konnten?
    ›Ich hab es geahnt‹, hab ich nach einer Weile geflüstert, zu mehr war ich nicht in der Lage, und ich wartete jetzt darauf, dass er einen Weg finden würde, mir auch dafür noch die Schuld zu geben.
    Jetzt war auch Karl nicht mehr nach essen zumute. Er ist aufgestanden und hat gesagt:
    ›Ich hab es dir ja eben schon erklärt. Deine Launen, dein verbittertes Gesicht, die Schweigsamkeit in diesem Haus – das ist mir alles zu viel geworden. Das hat mir echt gestunken. Und in so einer Stimmung sagt man einfach nicht Nein, wenn einem eine Frau Avancen macht. Wenn sie einen anlächelt, freundliche Worte sagt, überhaupt mit einem redet. Ich spürte, dass sie mich mag, dass sie etwas von mir wollte, und da hab ich nicht allzu lange gezögert. Es ist wirklich etwas dran an der Behauptung, dass Seitensprünge immer dann passieren, wenn es in der eigenen Ehe nicht mehr stimmt. Wann haben wir beide das letzte Mal zusammen geschlafen? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich habe es ein paar Mal versucht, aber du wolltest nicht. Du wolltest ja nie.‹
    ›Ich konnte nicht‹, hauchte ich. ›Ich konnte nicht wegen Svenja.‹
    Verstehen Sie, Doktor? Wieder hatte er es geschafft, alles mir in die Schuhe zu schieben. Er war nur das arme Opfer, das wie ferngesteuert auf mich reagierte. Wäre ich nach Svenjas Tod einfach zur Tagesordnung übergegangen, hätte meine liebreizendste Seite gezeigt, wäre lachend und singend durch den Garten gesprungen und hätte jederzeit bereitwillig die Beine breit gemacht, wäre das alles natürlich nicht passiert. Dann wäre er auch heute noch der treue Ehemann, treu bis in den Tod.
    Und dann ist er richtig böse geworden, und ich glaube, das verzeihe ich ihm bis heute nicht. ›Svenja!‹, hat er plötzlich geschrien und die Arme zum Himmel gereckt. ›Svenja, Svenja, Svenja! Deine Ausrede

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