Bezaubernde Spionin
nur recht war. Denn umso schneller sie ihre Aufgabe hier erledigte, umso eher konnte sie wieder nach Schottland zurück und …
»Sehr geistreich, liebe Nichte«, unterbrach John Bedfords zischende Stimme ihre Gedanken. Der Herzog winkte den Baronet ungeduldig weg. »Man hat mir berichtet, dass Ihr zwar hübsch, aber recht selbstbewusst und stolz seid.« Sein Gesicht war ein wenig gerötet, aber seine Augen wirkten wie zwei Eiskugeln, als er jetzt Aylinn ansah. »Nun gut, es mag sein, dass in Schottland die Rosen wachsen können, wie sie wollen. Hier jedoch«, er senkte den Kopf etwas und zog die Lippen zurück, was seinem Gesicht einen fast schon dämonischen Ausdruck verlieh. »Hier in England verstehen wir uns auf die Kunst, die Rosen zu stutzen und so zurechtzuschneiden, dass sie sich unseren Wünschen und Vorstellungen anpassen. Dieser schottische Usurpator«, er hob die Hand, als Aylinn etwas erwidern wollte, »der unrechtmäßig auf dem schottischen Thron sitzt und letztlich Schuld am Tod Eures Vaters und meines lieben Cousins trägt«, seine Stimme hatte jedes Näseln und jede Trägheit verloren und klang jetzt scharf und beißend, »hält sich gewiss für sehr klug, wenn er Euch als Gesandte hierherschickt und hofft, dass dieser Status Euch meinen Plänen und Absichten entziehen kann.« Er lachte kalt. »Aber ich versichere Euch, dass dem nicht so ist. Ich nehme Euch als meine Nichte auf, die ihres Lebens nach dem Tod ihres Vaters in Schottland nicht mehr sicher gewesen ist. Das werden alle verstehen. Und ebenso werden es alle verstehen, wenn ich versuche, Euren Ruf und Eure Tugend zu schützen, indem ich nicht zulasse, dass irgendein schottischer Mörder Euren Namen und Euren Leib besudelt.« Seine blauen Augen glühten, als er Aylinn anstarrte.
Die überlief es kalt, als ihr klar wurde, welche Eigenschaft dieser Mann noch ausstrahlte, außer dass er eiskalt und berechnend war. Herzog John Bedford war vollkommen skrupellos und würde über Leichen gehen, um seine Ziele zu erreichen. Und er würde sich von niemandem davon abhalten lassen, nicht von einem schottischen König und schon gar nicht von seiner Verwandten, seiner »lieben Nichte«. Er würde sie für seine Zwecke missbrauchen, wenn sie das zuließ, und zum ersten Mal seit ihrem Entschluss, sich auf Juliets Plan einzulassen, kamen ihr Zweifel, ob sie dieser Aufgabe tatsächlich gewachsen war. Denn Bedford war nicht nur skrupellos und berechnend, sondern offensichtlich auch ausgezeichnet informiert, was seine nächsten Worte Aylinn klarmachten.
»Dieser selbsternannte schottische König wird für seine Untaten bezahlen, und ebenso dieser hinterhältige und nichtswürdige Stewart, der den Bolzen verschossen hat, der dem Leben Eures Vaters ein Ende setzte. Aber seid unbesorgt«, diesmal war sein Lächeln so unverhüllt höhnisch, dass Aylinn tatsächlich zusammenzuckte, was Bedford mit Befriedigung bemerkte. »Der Gerechtigkeit wird schon bald Genüge getan werden. Und Ihr, mein Täubchen«, er grinste, »werdet mir dabei helfen, meine Pläne zu verwirklichen, alle meine Pläne, möchte ich hinzufügen. Ich nehme an, dass Euch der Gedanke mit Stolz erfüllt, dass Ihr den Tod Eures Vaters rächen könnt und Euch gleichzeitig an dem Mann schadlos haltet, der Eure Ehre befleckt hat, hm?«
Er hatte leise gesprochen, sodass nur Aylinn seine Worte hatte hören können. Sie spürte mehr, als sie sah, dass sich Richard von York bemühte, dem Gespräch zu folgen. Ob es ihm gelang, wusste sie nicht genau, aber im Moment spielte das auch keine Rolle. Sie starrte ihren Onkel fast entsetzt an. »Wie meint Ihr das, Mylord?«
Bedford lachte leise. »Oh, ich habe überall Ohren und Augen, mein Kind, auch im schottischen Palast. Und was sie mir zu berichten haben, ist höchst aufschlussreich, wirklich höchst aufschlussreich!«
Er lehnte sich sichtlich zufrieden mit der Wirkung seiner Worte zurück. Seine Miene war wieder eine Maske der Gelassenheit und Langeweile, als er die Hand hob und einen anderen Höfling zu sich winkte.
»Ganz offensichtlich jedoch scheint Ihr den jungen Baronet als Gesellschaft nicht so sehr zu schätzen.« Er grinste, als sich ein anderer Mann aus der Schar der Höflinge löste und sich dem Podest näherte. »Vielleicht ist er Euch ja zu weichlich und seine Manieren zu verfeinert. Die schottischen Frauen benötigen vielleicht eine kräftigere Hand, hm? Nun, meine teuerste Nichte, dafür kann gesorgt werden. Wenn Ihr den Baronet von
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