Bezaubernde Spionin
Ailsham nicht so schätzt, dann gefällt Euch vielleicht Sir Rudloff Kersham besser, ja?« Er deutete auf den Mann, der sich vor dem Podest aufbaute. »Ich hoffe es jedenfalls, denn damit hat sich die Auswahl Eurer … Begleiter am Hofe auch bereits erschöpft. Ich muss jetzt ein Land regieren, liebste Nichte, also kann ich mich nicht länger um Euch kümmern. Kersham wird Euch in Euer … in Eure Gemächer führen und Euch auch in allen anderen Fragen zu Diensten sein.« Er lachte leise, als er den entsetzten Blick bemerkte, mit dem Aylinn den vierschrötigen, hünenhaften Mann musterte, der sich vor dem Podest aufgebaut hatte. »Aber keine Sorge, ich bin kein Unmensch«, fauchte er. »Ihr dürft Eure Hofdame mitnehmen. Ich bin sicher, dass Kersham nichts dagegen hat.« Er sah den Höfling an. »Nicht wahr, Kersham? Oder sind zwei schottische Rosen zu viel für dein Schwert, hm?«
Der Mann verzog die Lippen zu einem Grinsen, und Aylinn spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Der Mann hatte kaum noch einen gesunden Zahn im Mund, sondern nur noch braune Stummeln. Zudem trug er einen dichten, etwas zerzaust wirkenden Vollbart, und der Blick seiner eng stehenden Augen verriet, dass sich dahinter alles andere als ein scharfer Verstand versteckte. Wenn er überhaupt einen besaß. Er roch sehr stark nach Schweiß, was vermuten ließ, dass dieser »Sir« offenbar noch nie etwas davon gehört hatte, dass man zur Körperreinigung Duftöle oder zumindest warmes Wasser benutzen konnte.
»Natürlich nicht, Mylord«, brummte er und grinste Aylinn an. »Ich werde mich schon um die Ladys kümmern, keine Sorge.«
Er streckte ihr die Hand hin, und Aylinn presste die Lippen zusammen, als sie die abgekauten, derben Fingernägel und die Schwielen sah, die seine Pranken zierte, deren Rücken mit schwarzen Haaren bedeckt waren.
»Ihr müsst Nachsicht mit Kersham haben, liebste Nichte«, meinte Bedford lächelnd. »Er versteht sich nicht gut auf die Wässerung von Rosen, aber er ist unvergleichlich in der Kunst, sie zu beschneiden. Das liegt vielleicht an dem Beruf, den er ausübte, bevor ich ihn wegen seiner Verdienste in den Adelsstand erhoben habe.« Er sah Kersham beinah liebevoll an. »Das stimmt doch, Kersham, mein Teuerster?«
Der Hüne nickte. »Sicher, Mylord, es ist genauso, wie Ihr sagt. Ich schneide sie, wie sie kommen, ob’s nun die Köpfe von Rosen sind oder die von Menschen.«
Aylinn saß wie erstarrt auf ihrem Stuhl, als ihr klar wurde, dass ihr »lieber Onkel« in diesem Moment all ihre Pläne vereitelt hatte, Informationen zu sammeln und sich am englischen Hofe umzusehen. Denn er hatte sie gerade von einer Gesandten zu einer Gefangenen gemacht und ihr als Bewacher niemanden Geringeres zu Seite gestellt als … den Henker.
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19. KAPITEL
D as kann nicht Euer Ernst sein, Sir Rupert!«
Sir Archibald Grant war so erschüttert, dass er den Pokal mit dem köstlichen Wein des Lordkämmerers mit einem Knall auf den Tisch stellte, ohne darauf zu achten, dass er einen großen Schluck des köstlichen Nasses verschüttete. »Der König wird dem niemals zustimmen! Und ich auch nicht, das versichere ich Euch! Ich verstehe einfach nicht, wie Lady McPherson auf eine solche Idee kommen konnte! Ihr könnt unmöglich als Bediensteter von Lady Aylinn verkleidet nach London reisen! Das ist der reine Wahnsinn. Wenn Ihr erkannt werdet? Und Ihr würdet erkannt werden! Zweifellos würde der Herzog Euch als Spion verhaften und vermutlich aufknüpfen, und man könnte nicht einmal ernsthaft dagegen protestieren! Was sagt denn Connor …?«
Sir Rupert lehnte lächelnd an dem Tisch in seinem Studierzimmer. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte er sich wieder gut, war unternehmungslustig und ausgezeichnet gelaunt. Er strotzte geradezu vor Energie, obwohl er in der letzten Nacht kaum geschlafen hatte, ebenso wenig wie Buffon, Connor und Juliet. Sie hatten bis in die frühen Morgenstunden in der Bibliothek gesessen und ihren Plan geschmiedet, und dann war Rupert beim ersten Morgengrauen aufgebrochen, nach einem kurzen Frühmahl. Trotzdem fühlte er sich frisch.
Was, wie er zugeben musste, weniger an seiner Jugend lag als an dem, was Juliet ihm über Aylinn erzählt hatte.
Sie liebte ihn, so viel war klar. Sie liebte ihn, und das war alles, was zählte. Sir Rupert würde nicht zulassen, dass sich noch einmal irgendetwas oder irgendjemand zwischen sie stellte, nicht einmal der König oder die Königin. Und schon gar nicht irgendein
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