Bezaubernde Spionin
Schottland zu führen.«
Sir Rupert nickte, und seine Augen funkelten. »Trotzdem wäre es doch einen Versuch wert, den Stein von Scone wiederzubeschaffen. Es würde uns zumindest Luft verschaffen, und außerdem würde es der Überheblichkeit der Engländer einen wirkungsvollen Dämpfer versetzen. Ganz zu schweigen davon, dass es Douglas und den Lowland-Clans den Wind aus den Segeln nehmen würde. Sie müssten sich etwas Neues ausdenken.«
Sir Archibald schüttelte missbilligend den Kopf. »Ich wiederhole, dieser Plan ist absurd. Wir wissen nicht einmal genau, wo dieser Stein genau versteckt ist, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Engländer einfach tatenlos zusehen, wie ein paar Schotten durch London marschieren und an jeder Tür nach einem Stein fragen, der vielleicht irgendwo im Weg herumliegt.« Er schnaufte. »Sie würden jeden Versuch im Keim ersticken, und ich könnte nicht ruhig schlafen, wenn ich sehenden Auges zuließe, dass irgendwelche schottischen Köpfe auf den Spießen des Towers verrotten.« Er warf Rupert einen kurzen Seitenblick zu. »Auch Euren nicht, das versichere ich Euch.«
»Ganz recht, Sir Archibald«, mischte sich der König ein und lächelte kühl. »Wir würden es nur sehr ungern sehen, wenn unser Lordkämmerer den Kopf verliert und der anschließend als Trophäe des Herzogs von Bedford den Tower ziert.« Er sah Sir Rupert vielsagend an. »Wir werden gleich die englische Gesandte empfangen, die uns einen Brief des Herzogs von Bedford überbringen möchte, den sie heute Morgen empfangen hat.« Er hob vielsagend eine Braue. »Vermutlich wird der Regent darin sein Entzücken ausdrücken, seine ›geliebte Nichte‹, wie er sich ausdrückte, bald in seine Arme schließen zu können.« Er seufzte und warf einen Seitenblick auf seine Gemahlin, die Sir Rupert aufmerksam und eindeutig kritisch betrachtete. »Oder aber er hat eine neue Unverschämtheit ausgeheckt, mit der er uns Ärger bereiten will. Wie dem auch sei …«, er hüstelte nachdrücklich, und Joan Beaufort riss ihren Blick von Rupert los und sah ihren Gemahl neugierig an.
»Ich halte es für besser, angesichts der … unerquicklichen Vorfälle neulich nachts, wenn wir diese Audienz mit Lady Harrington unter vier Augen«, er lächelte, als Joan Beaufort eine Braue hob, »ich wollte natürlich sagen, unter sechs Augen abhalten.«
Sir Rupert kniff die Augen zusammen, als er erneut Joan Beauforts kühlen Blick auf sich ruhen spürte. Normalerweise war das ein untrügliches Anzeichen dafür, dass die Königin etwas im Schilde führte, nur konnte er sich diesmal einfach nicht vorstellen, worum es sich handeln konnte. Aber er hielt sich nicht lange damit auf, darüber nachzugrübeln, als er sich verbeugte und Sir Archibald zur Tür des Thronsaals folgte. Denn worum auch immer es sich handeln mochte, wenn die Königin etwas vorhatte, würde sie zweifellos Mittel und Wege finden, ihn davon in Kenntnis zu setzen. Er hoffte nur, dass es nichts mit Aylinn zu tun hatte.
Und außerdem hoffte er, dass ihm noch ein wenig Zeit blieb, falls die Königin wirklich vorhatte, ihn zu sich zu rufen. Denn er hatte noch eine Angelegenheit zu erledigen, die ihm keine Ruhe ließ. Er musste einfach mit Aylinn sprechen, bevor sie nach England abreiste. Rupert hatte das Gefühl, ihm zöge sich der Magen zusammen, als er daran dachte, wie sie auseinandergegangen waren; ohne Gruß, ohne ein Wort und ohne dass er die Möglichkeit hatte, dieses verdammte Missverständnis aufzuklären. Ihm war klar, dass Aylinn erschüttert gewesen sein musste, als sie Georgina Harrington in dieser Pose auf seinem Bett hatte liegen sehen. Auf ebendem Bett, auf das er sie eigentlich hatte werfen und erneut lieben wollen, bis sie keine Luft mehr bekam und er sämtliche Zweifel, allen Schmerz und alle Traurigkeit aus ihr herausgeküsst hatte. Stattdessen hatte diese englische Schlange es geschafft, die Kluft zwischen ihnen noch zu vergrößern. Denn jetzt litt Aylinn zweifellos nicht nur darunter, dass sie sich dem Mörder ihres Vaters hingegeben hatte, und zwar zweimal – und wie, dachte Sir Rupert und spürte, wie ihm warm wurde –, sondern sie glaubte sicherlich auch, dass er ein rücksichtsloser und verantwortungsloser Mistkerl war, der sie nur ausgenutzt und schamlos verführt hatte, während in seinem Zimmer schon die nächste Frau auf ihn wartete. Selbst wenn Aylinn an dieser Verführung selbst ebenso viel Anteil gehabt hatte wie er, zählte das nicht. Jedenfalls
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