Beziehungswaise Roman
herausplatzen. Münzen kullern über den Tisch.
»Verdammt«, murmelt Stan.
Alle mustern die Schweinerei, dann mich, dann Tess, wieder das Schwein, dann mich. Die Blicke lassen darauf schließen, dass ich kurz davor bin, meinen festen Wohnsitz auf die andere Straßenseite zu verlegen. Tess hebt ihren Kopf, beugt sich über den Tisch und fingert einen Hunderter hervor. Sie hält ihn hoch und schaut mich bedeutungsschwanger an.
»Weißt du noch?«
Wir schauen uns in die Augen. Herrje, an dem Tag hätte ich sie fragen sollen. Sie hätte Ja gesagt, wir hätten heute zwei Kinder und wer weiß was noch alles. Aber so ist das Leben. Eine Reihe von Entscheidungen, die manchmal nicht getroffen werden. Und vielleicht zu Recht, wer weiß das schon? Vielleicht hätten wir heute Kinder, aber eine Scheißbeziehung, weil sie lieber Karriere machen würde, wir aber wegen der Kinder noch zehn Jahre durchhalten müssten. Und ich würde vielleicht aus Frust ständig mit BH rumbumsen.
Frauke räuspert sich.
»Würde mir bitte jemand sagen, was hier abgeht, bevor ich total ausflippe?«
Tess lächelt sie liebenswürdig an.
»Wir machen eine Trennungsparty.«
»Eine ...«
Sie verstummt und schaut Tess an. Dann mich. Dann wieder Tess.
»Was ist?«, sagt Stan und sucht in jedem Gesicht nach der Pointe.
»Wir trennen uns«, bestätigt Tess. »Und wir wollen das mit euch feiern.«
Stille.
Dann drehen sich alle Köpfe zu mir. Ich nicke.
»Stimmt.«
Stan erholt sich als Erster.
»Ihr ... Säcke!«, lacht er. »Das ist doch irgend so ’ne Heiratsverlobungsverarsche!« Er schaut zwischen uns hin und her, und nach und nach verkümmert seine Freude. »Ja?« Niemand sagt etwas. Man kann zuschauen, wie die Erkenntnis sich bei ihm manifestiert.
»Ihr Arschgeigen, sagt, dass das nicht wahr ist!«
Tess senkt ihren Blick auf den Teller und gibt ein kleines Geräusch von sich. Stan schlägt auf den Tisch.
»Ihr gottverdammten beschissenen Blödarschgeigen! !« Sein Gesicht nimmt eine dunklere Tönung an. Ich kann mein Grinsen nicht länger zurückhalten.
»Ach komm schon, Alter, nun sag doch mal offen, was du davon hältst ...«
»Ihr ARSCHLÖCHER!«
Er ist ehrlich empört. Tess wimmert. Am Tisch sausen verständnislose Blicke hin und her. Sogar Arnes Mimik wagt sich ein bisschen aus der Deckung. Frauke mustert uns betroffen. Die Asche von ihrem Joint fällt auf den Tisch, als sie die Hand hebt.
»Ach, kommt, jeder hat mal Probleme, das kriegt ihr doch wieder hin«, fleht sie.
Tess nickt.
»Wir haben es schon hingekriegt – wir sind Freunde.« Sie legt ihre Hand auf den Geldhaufen. »Und mit diesem hart verdienten Geld rufen wir jetzt einen Partyservice, laden einen Haufen Leute ein und feiern, bis die Schwarte kracht.«
Sie schaut mit strahlenden Augen in die Runde. Ihre Freude ist nicht ansteckend. Fraukes Augen füllen sich. Sie steht auf und geht mit gesenktem Kopf in ihr Zimmer. Die Tür fällt ins Schloss. Und dann muss Stan Stella plötzlich das Dach zeigen. Nina geht duschen. Tess verschwindet in Fraukes Zimmer, um sie zu trösten, und plötzlich sitze ich allein mit Arne am Tisch. Er starrt in seine Tasse. Die Musik ist aus. Irgendwo tickt eine Uhr.
»Gibt doch nichts Besseres als einen Brunch mit Freunden.« Er schiebt ein paar Krümel von der Tischkante in seine Hand und kippt sie säuberlich auf seinen Teller. Dort drückt er einen dicken Finger drauf, bis die Krümel ihm an der Fingerkuppe kleben, hebt den Finger und knabbert sie ab.
»Ist es wegen der neulich?«, fragt er, ohne mich anzuschauen.
Ich werfe Fraukes Tür einen Blick zu und schüttele den Kopf.
»Nein, es ist wegen uns. Tess geht ins Ausland.« Ich weiß, dass ihn das ebenso sehr schockt, doch er lässt sich nichts anmerken. »He, bloß nach China«, schiebe ich nach.
Keine Reaktion. Er zerquetscht seelenruhig noch ein paar Krümel und lässt sich Zeit. Ich bin kurz davor, schreiend aufzuspringen, als er endlich den Blick hebt.
»Du hackst immer auf mir herum. Ich soll mir einen richtigen Job besorgen, eine neue Frau suchen, die Zähne richtenlassen, mich besser anziehen, andere Musik hören, all diese Scheiße höre ich mir seit Jahren an, und was machst du? Du lässt die beste Frau gehen, die du je getroffen hast.« »Das verstehst du nicht.«
»Da hast du recht, und dabei kann ich sogar verstehen, dass ich eine Frau geschlagen habe, ich kann es verstehen, aber nicht gutheißen, und das hier ist genauso falsch.«
Er verstummt, ohne den Kopf
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