Beziehungswaise Roman
anziehen und äußernkönnen, wie wir wollen. Dass wir unterschiedlich sein dürfen. Auch wenn das manchmal nervt. Ich schicke einen Gedanken an jeden, der unbekannt und unernannt bei dem Versuch starb oder Leid erfuhr, Unrecht zu verhindern und Demokratie zu ermöglichen.
»Man sollte viel mehr feiern«, erkläre ich ihr.
Tess wirft mir einen fragenden Blick zu und schaut dann zu den Ballermännern rüber. Sie öffnet den Mund, um etwas Blödes loszuwerden, doch mittendrin erstarrt ihr Mund zu einem O. Sie schaut mich mit großen Augen an.
»Das ist es ...«
Ich nicke.
»Sag ich ja.«
»Nein, verstehst du nicht ... « Sie drückt meinen Oberarm mit beiden Händen und lacht ungläubig. »Wir machen eine Party! Für uns!«
»Eine Party ...«
Sie nickt. Ihre Augen funkeln.
»Eine Trennungsparty! Wir feiern unsere Liebe!«
Sie quetscht meinen Arm. Ich schaue in ihre funkelnden Augen und fühle mein Herz aufgehen. Ich muss es einfach schaffen, noch einmal jemanden so zu lieben. Den Rest erledigt Mobbing und Viagra.
»Gut, aber wann?«
Sie hebt die Hände.
»Na, heute!«
Sie schaut mich fröhlich an, dann gleitet ihr Blick an mir vorbei und bleibt an etwas haften, sie grinst breit. Ich drehe mich auf dem Hocker und folge ihrem Blick. Stan und Stella kommen schwer beladen aus der Abfertigungshalle. Als Stan mich sieht, schreit er auf.
»DU MIESER KLEINER FLACHWITZER!«
»DU PHRASENMÄHER!«, brülle ich zurück und springe vom Hocker.
Wir laufen grölend aufeinander zu, und schon umarmen sich zwei Typen und klopfen sich brüllend auf den Rücken, während die Ballermänner uns anerkennend angrinsen.
Auf der Rückfahrt schneit es zur Abwechselung. Ich klebe wieder hinter demselben Volvo. Entweder der BND mit einer ganz neuen Verfolgungsvariante oder jemand, der zufällig denselben Weg und denselben Auftrag hatte. Beides wäre total okay, wenn der Volvo mal die fünfzig überschreiten würde. Tut er aber nicht, und überholen ist hier nicht, dank der Baustellen, die die Strecke zieren. Ich sollte mich bei Wetten, dass... bewerben: Wetten, ich kann von Köln nach Düsseldorf gehen, ohne die Baustellen zu verlassen?
Aber je länger wir brauchen, desto mehr Zeit hat Stan, um von der Hochzeitsreiseplanung zu erzählen; erst geht es zu uns, dann zu seinen Eltern in Hagen, dann nach Dresden, Berlin, Warschau, Prag, und zum Schluss vielleicht Skandinavien, bevor es nach Südeuropa geht. Ich verspreche ihm freies Wohnen in Kopenhagen und horche mit einem Ohr nach hinten, wo sich die Frauen über die Hochzeit unterhalten. Tess will alles wissen, Erwartungen, Gefühle, Enttäuschungen, Freude, Veränderungen, Kinderwunsch, Pläne. Als sie meinen Blick im Spiegel bemerkt, schlägt sie mir auf die Schulter. Als ich sie weiter anschaue, senkt sie den Blick.
»Wir machen heute eine Party«, sage ich.
»Das wäre doch nicht nötig gewesen«, sagt Stella. »Aber klar ist das nötig«, sagt Stan.
»Nicht für euch«, sagt Tess. »Für uns.«
Stan mustert mich. Dann schaut er nach hinten zu Tess, dann wieder zu mir, dann grinst er wie ein Honigkuchenpferd und schlägt mir auf die Schulter, dass ich um ein Haar in den Gegenverkehr gerate.
»Das wurde verflucht noch mal auch Zeit! Hey!« Er schlägt mich noch mal. »Warum hast du nichts gesagt, du Depp! Wir haben gar keine Klamotten mit!« Er kriegt sich gar nicht mehr ein. »Mann! Verdammt! Ihr Schweine! Geil!« »Es war ein spontaner Einfall«, sage ich und werfe einen Blick in den Rückspiegel.
»Was ist denn?«, fragt Stella von hinten.
Stan dreht sich und grinst seine Frau an.
»Die beiden machen auch ein kleines Fest ...«
Bei Fest wackelt er vielsagend mit dem Kopf. Stella nimmt den falschen Faden auf und strahlt Tess an.
»Oh, ist das schön! Das freut mich ja so für euch!«
Tess’ Kinn zittert vor Anstrengung, nicht loszuprusten. Ich umklammere das Lenkrad und schaue auf die Straße. Tess lehnt sich zwischen den Sitzen nach vorne. Ich spüre ihren Atem auf meiner Wange.
»Und weißt du, wie wir unser kleines ... Fest ... finanzieren?«, flüstert sie.
Ich presse meine Lippen aufeinander und schüttele den Kopf.
»Mit dem ... Sex... schwein«, sagt sie.
Wir schauen uns einen Augenblick im Rückspiegel an, dann lässt sie sich wimmernd in ihren Sitz zurückfallen. Ich schaffe es irgendwie, dem Volvo nicht ins Heck zu fahren. O Gott, eine winzige Schramme, und Frauke massakriert mich. Aber der Gedanke, dass wir das Geld für die Party
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