Beziehungswaise Roman
hervor, und schon geht es wieder los: Äh, ihr trennt euch wirklich? Seufz. Der Nächste.
Herr Scheunemann kommt mit seiner Frau, einer entspannten Sechzigjährigen mit tiefen Raucherfalten. Sie halten Händchen, haben einen Strauß Blumen und zwei Geschenke dabei. Sie wussten nicht, was man zu einer Trennung schenkt, sagt er. Aber wohl besser zwei Stückdavon, sagt sie mit feinem Lächeln. Sie beobachten uns, während wir auspacken. Für Tess: ein Buch über Haustiere als Partnerersatz. Für mich: eine Packung Kondome. Sie mustern uns belustigt. Wir bedanken uns artig und zeigen ihnen den Weg zur Leiter, wo sie ihre Mäntel aufhängen können. Wenn die Wahl des Partners wirklich so viel aussagt, freue ich mich jetzt noch mehr auf meinen neuen Geschäftspartner.
Stan und Stella sitzen neben Frauke auf der Couch und kiffen, was das Zeug hält. Jedes Mal, wenn unsere Blicke sich begegnen, schütteln beide den Kopf – fucking crazy europeans! Stan nahm mich vorhin zur Seite, um mit mir ein Männergespräch zu führen. Ich versuchte es für ihn zu begründen, aber wie erklärt man einem Kerl, der gerade eine Frau geheiratet hat, die er schlappe sechs Monate kennt, dass man sich von einer Frau trennt, die man seit sieben Jahren liebt? Dass Tess nicht mehr will, dafür hat er vollstes Verständnis, aber dass ich eine solche Frau ziehen lasse, dafür gibt es in seinen Augen einfach keine Entschuldigung. China? Na und? Auseinandergelebt? Na und? Ich war kurz davor, ihm das mit dem Sex zu verraten, konnte mich aber gerade noch bremsen. Klar, wenn er wüsste, dass wir seit Jahren nicht mehr miteinander schlafen, hätte er sicher mehr Verständnis, aber lieber einen Freund ohne Durchblick als die nächsten zwanzig Jahre Schlappschwanzsprüche. Also erklärte ich ihm, dass er einfach zu verliebt sei, um klar denken zu können. Seitdem beschränkt er sich aufs beleidigt Kiffen, beleidigt Saufen und beleidigt Kopfschütteln. Es wäre wirklich einfacher, wenn Tess nicht so beliebt wäre, dann würde man vielleicht versuchen, mich zu verkuppeln, statt mir zu erklären, dass ich ein Versager bin. Hm. Arbeitslos, Reisephobie, notgeil und unbeliebt. So langsam entwickelt sich eine erstklassige Kontaktannonce.
Es strömen immer mehr Leute herein. Man streichelt draußen die verdammte Katze, bewundert innen die Halle, fragt uns, ob wir uns wirklich trennen, hängt den Mantel auf die Leiter, entdeckt das Büfett und stellt sich dann kauend in Gruppen auf, um Thesen über die wahren Trennungsgründe aufzustellen. Rumhuren, ich, führt knapp vor frigide sein, Tess. Wie in Köln nicht anders zu erwarten, drängelt sich plötzlich ein Kamerateam in die Halle, das von der Supersache Wind bekommen hat. Auf Tess’ Bitte zu gehen reagieren sie mit Unverständnis. Bis Arne die Mikrofonangel zusammenfaltet, ohne dabei das Schraubgewinde zu beanspruchen. Das TV-Team entwickelt plötzlich Respekt vor Privatsphäre und zieht eilig in Richtung Ausgang. Bevor es die Tür erreicht, tauchen ein paar von Arnes Ökokumpels auf, die nicht die größten Fans der Medien sind: Propagandamaschinerie der Konzerne! Irakkrieg! Hitlertagebücher! Falschmeldungen! Das Team muss schwer einstecken und poltert heraus. Die Ökokumpels schauen ihm grimmig hinterher, ihre Mienen hellen sich auch nicht auf, als Arne ihnen Nina vorstellt. Bevor sie verarbeitet haben, dass Arne Kontakt zu einer Frau aufgenommen hat, treffen weitere Staatsfeinde ein und lenken sie ab: Comedians! Slomo-Manne kommt herein, eine Thailänderin an seiner Seite, die aussieht, als sei sie höchstens zwanzig. Er bleibt vor uns stehen und küsst Tess auf die Wange. Arnes Leute murmeln leise miteinander und funkeln passiv-aggressiv zu dem miesen Sextouristen rüber. Manne denkt, es sind ganz normale, verklemmte Fans und winkt freundlich zurück. Hoffentlich bietet er ihnen jetzt kein Autogramm an, dann könnte es blutig werden.
Er grinst mich an.
»Gratuliere zum letzten Platz.«
»Ich war wenigstens im Finale. Wo warst du?«
»Stimmt auch wieder.« Er knöpft seinen Parka auf undschaut von Tess zu mir und zurück. »Seid ihr jetzt Geschwister oder so?«
»Oder so«, sagt Tess.
Ich werfe der Thailänderin einen Blick zu, die uns mit diesem asiatischen Lächeln anlächelt. Aus der Nähe sieht man, dass man sich bei ihr leicht um zehn, fünfzehn Jahre verschätzt.
»Kann ich bitte deinen Personalausweis sehen?«
»Das nenne ich charmant«, sagt sie in fließendem Deutsch. »Ihr beide seid
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