Beziehungswaise Roman
starb, sie lebte glücklich bis zum Ende ihrer Tage. Hm. Soll ich mich umbringen und Mona vorher das Versprechen abnehmen, nach Hause zu fahren und ein glückliches Leben zu führen? Vielleicht sollte ich einfach nur Kanacke umbringen, dann würden wir alle ein schöneres Leben führen. Vielleicht sollte ich ihr auch nur erklären, dass ich gerade abgesoffen und zerbrochen auf dem Grund des Kulturmeeres aufgeschlagen bin. Vielleicht sollte ich irgendetwas sagen, bevor sie denkt, sie hat es mit einem Psycho zu tun.
»Da zerbricht man sich jahrelang den Kopf über gute Texte, und dann reicht es, die Leute anzupflaumen. Gott, was habe ich immer über diese Spakken gelästert, die nicht in der Lage sind, einen guten Text zu schreiben, und stattdessen das Publikum vollprollen, und jetzt gehöre ich dazu.« Sie zuckt die Schultern.
»Die meisten waren doch betrunken. Die wissen das morgen nicht mehr.«
»Aber ich.«
Doch das brauche ich scheinbar nicht mit ihr zu diskutieren. Für sie ist es nicht so schlimm. Hm. Vielleicht ist es für andere nie so schlimm wie für einen selbst. Wahnsinnsgedanke. Vielleicht ist es ja auch nie so toll wie für einen selbst. Wow. Vielleicht interpretiert man in manche Dinge auch bloß zu viel hinein, wenn man, nun ja, zu viel hineininterpretiert. Hallooo!!! Aufwachen! Du hast Besuch! Außerdem trinkt sie ihren Tee ohne Zucker!
Ich werfe Mona einen Blick zu. Sie tippt mit dem Fingernagel gegen eine von Fraukes Blättchenpackungen undschiebt sie auf dem Tisch hin und her. Ich kippe verstohlen den Zucker aus der einen Tasse wieder heraus und hole Milch von fröhlichen Kühen aus dem Kühlschrank, dabei sehe ich die kleine flache Blechdose, die auf dem Küchentisch steht. Frauke hat ihren Reiseproviant vergessen. Arme Frauke, irrt irgendwo da draußen durch die Stadt, ohne etwas zu kiffen. Ein Zeichen? Soll ich mich ausnahmsweise mal wegrauchen? Vielleicht Fraukes Geheimreservat unter ihrem Bett plündern? Neunzehn Pfund Afghane sollte einen doch auf andere Gedanken bringen, oder? Echt schade, dass ich das Zeug nicht vertrage. Stattdessen kippe ich Milch in meine Tasse und warte, dass meine Lieblingsdroge kocht.
»Ich kenne mich da ja nicht so aus, aber hilft es wirklich kein bisschen, dass du gewonnen hast? Freust du dich gar nicht?«
Ich richte meinen Blick auf sie.
»Erfolg«, sage ich und hole Luft für ein zynisches Manifest. Dann lehne ich mich wieder gegen den Kühlschrank und atme noch mal tief durch. Sie hat recht. Ich hatte heute Erfolg. Ich habe ein Zeichen gesetzt. Ich habe es geschafft. Was auch immer. Meine Agentur hat mich wieder lieb. Vielleicht kann ich hier wohnen bleiben. Vielleicht mache ich noch mal ein bisschen Karriere und bekomme ein paar Jobs, bei denen ich nicht zwischen den Nummern eine Mikrofonrückkopplung provozieren muss, um das Publikum aufzuwecken.
»Nett, dass du mich aufmuntern willst, reden wir über dich.« Ich beuge mich vor und nehme Fraukes Dose an mich. »Was ist denn nun mit deiner Schwangerschaft? War das bloß eine Masche, um Typen aufzureißen?«
Sie lächelt und legt ihre Hand auf ihren Bauch.
»Das wäre aber ein bisschen kontraproduktiv, oder? Bei dem Thema sind Männer doch gleich weg.«
»Deiner nicht. Ganz schön nett von ihm, was?«
Statt zu antworten, stellt sie die Blättchen hochkant, legt sie wieder hin, stellt sie wieder hochkant, dann lässt sie sie auf den Tisch fallen, lehnt sich nach vorn und lässt den Mantel von ihren Armen gleiten, bis er über der Stuhllehne hängt. Als sie sich wieder zurücklehnt, sehe ich endlich ihren Bauch in vollem Umfang. Nicht vorhanden. Da soll ein Mensch heranwachsen? Schöne Vorstellung. Der Augenblick wäre noch ein bisschen edler, wenn ich ihr dabei nicht auf die Brüste gucken würde.
Ich senke meinen Blick etwas.
»Welcher Monat soll das denn sein?«
Sie zögert kurz.
»Zweiter«, sagt sie und wirft mir einen prüfenden Blick zu. Sie interpretiert den Blick richtig und winkt ab. »Fang du nicht auch noch an.«
»Ich sag ja gar nichts«, protestiere ich. »Wieso auch? Ist deine Entscheidung, wenn du im zweiten Monat noch rauchen und saufen willst. Aber was ist mit deinem Verlobten? Hat er da nichts mitzubestimmen? Weiß er, wie es dir geht? Hast du ihn mal angerufen? Er macht sich bestimmt Sorgen.«
»Wir sind nicht verlobt.«
Ich seufze.
»Sorgen macht er sich trotzdem, richtig?«
»Hm«, macht sie und hängt ihren Gedanken nach. Sie stellt die Blättchen hochkant. Sie legt die
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