Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
Vom Netzwerk:
wenn er uns klarmachen wollte, wie Kriege entstehen oder Philosophie als Propaganda von Fanatikern missbraucht wird. Oder worin Eifersucht und Rache münden.
    Geräusche im Nebenzimmer. Leise Schritte. Ebba erscheint in der Türöffnung. Sie sieht abgekämpft aus, aber sie lächelt.
    »Es roch nach Kaffee.«
    Ich greife nach der Kanne und schenke ihr eine Tasse ein. Sie wirft einen Blick auf die Bibel, die beim zweiten Buch Mose aufgeklappt daliegt, und setzt sich vorsichtig in ihren Stuhl.
    »Wie geht es ihm?«
    »Er schläft. Ihm war vorhin wieder ein bisschen schwindelig.«
    Ich nicke.
    »Diese Tabletten ...«, beginne ich, »die Nebenwirkungen können Schwindel auslösen.«
    An ihrem Blick sehe ich, dass das nichts Neues für sie ist.
    »Wieso hat er nie was gesagt?«
    »Du kennst ihn doch.«
    »Ja, aber ...«
    »Lasse, frag ihn bitte selbst.«
    Ich weiß, dass sie loyal bleiben muss, aber wenn ich nichts von ihr erfahre, erfahre ich nie etwas, denn Far würde in hundert Jahren nicht über eine Krankheit reden. Alte Schule.
    »Du weißt, dass er mir nie im Leben etwas sagen wird, also, falls du einen winzigen Tipp hättest ...«
    »Ich kann nicht«, sagt sie und trinkt einen Schluck Kaffee. Wir sitzen ein bisschen da. Kein gutes Schweigen. Sie weiß was und kann es mir nicht sagen. Ich bin sauer und will es nicht an ihr auslassen. Ich trommele mit den Fingern auf dem dicken Ledereinband herum, der die tausend Goldseiten schützt. Ihr Blick huscht wieder zur Bibel.
    »Suchst du eine bestimmte Stelle?«
    »Nein. Und keine Angst, ich werde nicht plötzlich gottesfürchtig und fange an zu beten, bloß weil Far umgekippt ist.«
    Erleichtert springt sie auf die Vorlage an.
    »Meinetwegen kannst du gerne zu Gott beten.«
    »Wie tolerant«, sage ich.
    »Verglichen mit den Kirchen allemal«, nickt sie.
    In der nächsten Stunde diskutieren wir Kirche, Religion und die menschliche Tendenz, Schuld und Verantwortung abzuwälzen. Wir reden über Jesus und Mohammed und Luther und Geschichtsverfälschung. Sie legt mir die heutigen Verbindungen zwischen Kirche und Staat und Wirtschaft dar. Gerade als sie Vergleiche zwischen Religionen, die ihren Gott als den einzig Wahren betrachten, und Faschismus zieht, öffnet sich die Wohnungstür und Sune kommt herein.
    »Bin wieder da!« Sie knutscht Ebba, dann mich, dabei huschen ihre Augen über die Bibel. »Wo ist Far?«
    »Schläft«, sage ich.
    »Ah, gut.« Sie lässt sich in einen Sessel plumpsen, streckt die Beine von sich und seufzt. »Was für ein Tag«, stöhnt sie. »Manchen Eltern müsste man das Sorgerecht entziehen, aber beiden!«
    Wir erfahren, dass die Eltern von der kleinen Diandra sich haben scheiden lassen. Die Mutter hat das Sorgerecht und lässt die Kleine manchmal von Typen abholen, die sie selbst erst seit der vergangenen Nacht kennt, was den leiblichen Vater natürlich zu Recht aufregt. Leider kann man seine Argumentation nicht verstehen, weil er immer besoffen ist. Heute war er eigentlich wieder dran, Diandra abzuholen, doch weil er die Alimente nicht bezahlt hat, hat die Mutter sie vorher abgeholt. Als er kam und sie schon weg war, ist er ausgerastet und hat es an Sune ausgelassen, ungeachtet dessen, dass er jeden zweiten Termin vergisst und Diandra dann bis fünf Uhr am Kindergartentor steht und vergeblich wartet, während alle anderen Kinder von ihren Familien abgeholt werden.
    Sune reibt sich das Gesicht.
    »Und jetzt werden sie sich wieder in die Haare kriegen, und wer leidet am meisten darunter? Aber das ist denen egal, eitle Vollidioten. Es dreht sich nur um sie. Die merken gar nicht, wie die Kleine eingeht, dabei ist sie Zucker, klug, sozial, aber mittlerweile total eingeschüchtert. Sie hat begonnen, wieder ins Bett zu machen, was ihr restliches Selbstbewusstsein zerstört.«
    »Jugendamt?«, schlage ich vor und fülle ihre Tasse. Sie lacht hässlich.
    »Na sicher doch, das Jugendamt ...«
    Sie nimmt einen Schluck, wirft noch einen Blick auf die Bibel, hebt eine Augenbraue und stellt die Frage. Schonstecken wir mitten in der Debatte. Während die beiden das Jüngste Gericht ausdiskutieren und in die Küche gehen, um das nächste zuzubereiten, stecke ich den Kopf ins Schlafzimmer. Far schläft. Wie ein Junge liegt er da. Süß. Beschützenswert. Wie oft muss er so dagestanden und mich angeschaut haben, während ich schlief. Die Dinge ändern sich.
     
    Es gibt Biksemad. Eines meiner vielen dänischen Leibgerichte. Reste auf Kartoffelbasis, ein paar Zwiebeln,

Weitere Kostenlose Bücher